Software verbessert Kosten- und Effizienzbilanz von Blockheizkraftwerken

Strom und Wärme nach Maß – Selbst erzeugen mit System

 

Strom und Wärme nach Maß – Selbst erzeugen mit System (Bild: Hasso-Plattner-Institut (HPI) )

Studierende des Hasso-Plattner-Instituts entwickeln Steuerungs- und Simulationssoftware für Energieversorgung in Mehrfamilienhäusern. Software soll helfen, Energiekosten einzusparen. Ab August wird die Software kostenlos unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht.

 

Rastatt, 17.07.2014

 

Die meisten Mehrfamilienhäuser werden über das öffentliche Stromnetz mit Elektrizität und über einen Heizkessel mit Wärme versorgt. Im Rahmen der Energiewende nutzen aber immer mehr Gebäudeeigentümer hocheffiziente Blockheizkraftwerke für die Energieversorgung.

Blockheizkraftwerke (BHKW) sind stationäre Motoren, die Erdgas effizient in Strom und Wärme umwandeln. Die Energie (Strom und Wärme) wird durch BHKW-Anlagen direkt dort produziert, wo man sie auch braucht – im eigenen Haus.

Diese Art der Energieversorgung weist mehrere Vorteile auf: So spart die Eigenproduktion von Strom und Wärme gegenüber dem Strombezug aus dem öffentlichen Netz erhebliche Kosten. Gleichzeitig schont die effiziente Produktion von Strom und Wärme im eigenen Haus die Umwelt.

BHKW-Vorteile noch besser ausnutzen

Bachelorstudenten des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) an der Universität Potsdam haben sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit mit der Fragestellung beschäftigt, wie die Vorteile einer Energieversorgung mittels BHKW-Anlagen durch eine softwaretechnische Unterstützung noch besser zur Geltung kommen könnten.

Die zwei Studentinnen (Eva-Maria Herbst, Julia Steier) und drei Studenten (Fabian Maschler, Fabio Niephaus, Max Reimann) haben sich hierfür mit dem Thema der dezentralen Energieversorgung auseinandergesetzt. Schon in einem kleinen Mehrfamilienhaus müssen viele Einflussfaktoren und Abhängigkeiten wie Technik, Preise und die gesetzlichen Rahmenbedingungen beachtet werden. Eine umfassende Optimierung eines solchen Systems erscheint ohne Software-Unterstützung nahezu unmöglich.

Daher wurde in mehrmonatiger Entwicklungsarbeit ein Software-Prototyp entwickelt, der die Fülle der Faktoren und Einflussgrößen zusammenführt. ecoControl – so der Name des Programms – soll die Steuerung moderner Energiesysteme vereinfachen und deren Zusammenspiel optimieren.

Blick in die Glaskugel als BHKW-Optimierungsstrategie

Eine zentrale Komponente der neuen Software stellen Vorhersagen dar. Die Wettervorhersagen, die von ecoControl automatisch aus dem Internet bezogen werden, sollen helfen, die Fahrweise einer BHKW-Anlage an den wetterbedingten Bedarf anzupassen. So könnte bei einem vorhergesagten Temperatursturz das Blockheizkraftwerk automatisch früher in Betrieb gehen, um länger Zeit für die langsame Gebäude-Aufheizung zu haben und dadurch ggf. den Einsatz des Spitzenlast-Heizkessels vermeiden zu können.

Screenshot von ecoControl (Bild: Hasso-Plattner-Institut (HPI) )Besonders wichtig für eine effiziente Optimierung erscheint die Vorhersage des Nutzerverhaltens. In einem Mehrfamilienhaus leben unterschiedliche Personen mit einem jeweils individuellen Bedarf an Energie (Warmwasser und Strom). Während der eine morgens um 7 Uhr badet, stellt sich ein anderer Hausbewohner abends unter die Dusche. Das Softwareprogramm versucht anhand statistischer Analysen ein Muster zu erkennen und daraus Vorhersagen der Verbrauchsstruktur zu generieren. Anschließend wird die Produktion an den Bedarf angepasst. Dadurch kann nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch Kosten und Energie eingespart werden.

Eine solche Strategie erfordert aber ggf. auch größer dimensionierte BHKW-Anlagen, um flexibel auf Lastschwankungen reagieren zu können.

BHKW-Simulation ermöglicht unmittelbares Feedback

Ein weiterer Vorteil der Software besteht in der Simulation der Energiesysteme. Der Betreiber des BHKW erhält durch die Software einerseits Prognosewerte für die Zukunft und kann andererseits auf historische Daten als Vergleichswerte zurückgreifen.

Bisher müssen Betreiber und Techniker mehrere Wochen warten, bevor die Auswirkungen der Einstellungen sichtbar werden. ecoControl versetzt die BHKW-Betreiber in die Lage, Optimierungen an den simulierten Energiesystemen direkt auszuprobieren, ohne die echten Geräte anzusteuern. Neben einfachen Parameteränderungen ist es auch möglich, über eine Programmierschnittstelle umfangreichere Regeln zu erstellen, nach denen das Energiesystem gesteuert werden soll.

Hardware-Entwicklung steht noch aus

Der Software-Prototyp kann bisher nur simulierte Geräte ansteuern. Für den Einsatz im eigenen Haus fehlt eine geeignete Hardwareschnittstelle, die Messdaten empfangen und Steuerbefehle an die Geräte senden kann. Das Team hofft, dass durch die aufgezeigten Einsparpotentiale auch die Hersteller der Energiesysteme dazu angeregt werden, gemeinsame Standards zu etablieren und so die Ansteuerung der Geräte durch eigene Optimierungsprogramme zu ermöglichen.

Die Software ecoControl wird unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht und steht somit jedem Interessierten frei zur Verfügung. Anfang August 2014 wird auf der Projektwebseite http://sec-i.org der Quellcode und eine detaillierte Dokumentation der Software veröffentlicht.

Nach einer Beispielrechnung der Bachelor-Studenten könnte die Software ecoControl in einem kleinen Mehrfamilienhaus bis zu 30% der Energiekosten zusätzlich einsparen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Projekt fortgeführt und weiterentwickelt wird.

Die Bachelor-Studenten Eva-Maria Herbst, Fabian Maschler, Fabio Niephaus, Max Reimann und Julia Steier entwickelten im Rahmen ihrer Bachelorarbeit am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam mit ihren Betreuern und Projektpartnern eine Software, die zukünftig die Energieversorgung in Mehrfamilienhäusern effizienter und kostengünstiger steuern soll. (Bild: Hasso-Plattner-Institut (HPI) )

Autor: Markus Gailfuß | Bilder: Hasso-Plattner-Institut (HPI)

 

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