Herrsching | 27. Juni 2016 |

KWK-Stromverkauf - Profitieren von zwei Tarifen

Die Stadtwerke Konstanz testen in ihrem Mieterstrommodell, wie gut und flexibel sich BHKW, PV-Anlage und intelligentes Messsystem kombinieren und betreiben lassen.

Seit 1. März sind in Konstanz Mieter in Gebäude eingezogen, in denen der Strom überwiegend lokal erzeugt wird. Von Anfang an profitieren sie von den variablen Strompreisen, die ein wichtiger Bestandteil des Mieterstrommodells der Stadtwerke sind und die zur Änderung des Verbrauchsverhaltens anregen sollen. Das erste Mieterstrom-Projekt umfasst einen Altbau (nur Wärmeversorgung) und einen Neubau mit Mietwohnungen und gewerblicher Nutzung durch ein Kunden-Center der Sparkasse Bodensee und den Polizeiposten Wollmatingen.

Für die Strom- und Wärmebereitstellung für die Häuser ist ein BHKW mit einer elektrischen Leistung von maximal 20 kW installiert; bei Bedarf kann eine Leistung zwischen 10 und 20 kW moduliert werden. Ergänzt wird die Stromversorgung durch eine PV-Anlage auf dem Dach mit 22,88 kWp.

Als thermische Leistung für die Wärmeversorgung stehen aus dem BHKW 42 kW bereit; 3 kW davon steuert ein Brennwertwärmetauscher bei. Zusätzlich gibt es in der Heizzentrale noch einen Gasbrennwertkessel sowie einen Pufferspeicher. Eine Nahwärmeleitung zwischen Neu- und Altbau ergänzt das Wärmekonzept. Die Planer bei den Stadtwerken kalkulieren mit einem jährlichen Wärmebedarf von 420 MWh, den zu mehr als 60 Prozent das Blockheizkraftwerk decken soll, dessen Laufzeit dabei mit 6 500 Stunden jährlich eingeplant ist.

 

Optimierung durch das Zählerkonzept

Bis hierher ist die Strom- und Wärmeversorgung ähnlich aufgebaut wie bei vergleichbaren Mieterstromprojekten. Die Konstanzer Besonderheiten sind jetzt die elektronischen Zähler, die über Gateways der Firma Theben und über eine Anbindung an das Glasfasernetz der Stadtwerke im Viertelstundentakt Daten zur aktuellen Stromproduktion und zum Verbrauch liefern. So kann der Stromverbrauch auf Basis von 15-Minuten-Werten mit der Produktion aus BHKW und Solaranlage abgeglichen werden. Um den Mietern einen Anreiz zu geben, möglichst viel von dem im Haus produzierten Strom zu nutzen, bieten die Stadtwerke Konstanz keinen Mischpreis an, sondern unterscheiden zwischen Preisen für den selbst erzeugten Direktstrom (22 Ct/kWh brutto) und dem aus dem Netz bezogenen Reststrom (24 Ct/kWh brutto).

Alle Mieter, die sich an diesem Modell beteiligen – aktuell sind über zwei Drittel der Mieter unter Vertrag – profitieren von diesem Preisvorteil. Sie können außerdem ihre Energiekosten optimieren, wenn sie ihr Verbrauchsverhalten besser an die Stromproduktion anpassen. Wie preissensibel die Mieter sind, können die Stadtwerke noch nicht genau sagen. Die bisherigen Erfahrungen deuten aber laut Gordon Appel, Leiter Produktmanagement bei den Stadtwerken Konstanz, auf ein Lastverschiebepotenzial im einstelligen Prozentbereich hin. Dies könnte aber größer werden, wenn die Haushaltsgeräte (Stichwort Smart Home) über eine Schnittstelle mit den Gateways verbunden werden und so selbst Preissignale erkennen können.

 

Derzeit 70 Prozent Eigenversorgung beim Strom

Dass bisher nicht alle Mieter das Mieterstromangebot nutzen, behindert das Modell nicht. Die Kunden, die mitmachen, profitieren sogar davon. Denn ihnen wird ein höherer Anteil des erzeugten Stroms zugerechnet, weil von der insgesamt produzierten Strommenge die Kunden, die keinen Vertrag abgeschlossen haben, nichts abbekommen können. Aktuell versorgen sich die Mieter zu etwa 70 Prozent selbst mit BHKW- und PV-Strom.

Die Anlage wird nicht die einzige mit diesem Konzept im Netz der Stadtwerke Konstanz bleiben. Eines der nächsten Projekte, bei dem zwei BHKW und eine PV-Anlage zum Einsatz kommen, ist fertiggestellt und geht derzeit in Betrieb. Zwei weitere Projekte sind in der Umsetzungsphase.

Bei den Stadtwerken Konstanz ist man sich der zwiespältigen Auswirkungen der Eigenstrom-Modelle auf die Netzentgelte durchaus bewusst. Für das Unternehmen selbst haben die vermiedenen Netzentgelte positive wie negative Effekte. Zwar werden tatsächlich weniger Netznutzungsentgelte eingenommen, räumt Appel ein, aber: „Für uns als Stadtwerk, das nicht in Offshore-Projekte investieren will, sind die Mieterstrommodelle zugleich Projekte, mit denen wir die Energiewende vor Ort realisieren können.“ Mit mehreren solcher Vorhaben könne man den Netzausbau wahrscheinlich nicht vermeiden, aber womöglich verringern.

Die Anlage wurde von der Fachzeitschrift "Energie & Management" zum BHKW des Monats Juli 2016 gekürt. Den ausführliche Bericht dazu finden Sie auch auf unseren Seiten in der Rubrik "BHKW des Monats".

 

Die Anlage auf einen Blick:

Standort:
Wohn- und Geschäftsgebäude in Konstanz

Planer und Betreiber:
Stadtwerke Konstanz

Anlage:
BHKW EC Power XRGI 20, 20 kWel, 42 kWth; Gasbrennwertkessel, Nahwärmeleitung, PV-Anlage mit 22,88 kWp; intelligente Messsysteme

Besonderheit:
Messung von Viertelstundenwerten, Abrechnung tatsächlicher zeitgenauer Nutzung

Auskunft:
Appel Gordon, Stadtwerke Konstanz, Tel.: 0 75 31 / 8 03 − 46 30, g.appel@stadtwerke-konstanz.de

Webseite der Fachzeitschrift "Energie & Management"
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