Herrsching | 4. April 2018 |

Energieversorger experimentieren mit grüner Fernwärme

Fernwärmeversorger benötigen in Zukunft einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien. Derzeit decken diesen vor allem Müllverbrennungsanlagen ab, aber auch Solarthermie gewinnt an Bedeutung.

In Frage kommen künftig als Energiequellen für die grüne Fernwärme neben dem Müll auch Biomasse und Solarthermie. Eine Solarthermielösung versorgt etwa beim Energiebunker Hamburg die umliegende Nachbarschaft, nicht jedoch das gesamte Hamburger Fernwärmenetz. Obwohl die technische Einbindung schwierig bleibt, testen einige Stadtwerke, wie sie Solarthermie in ihre Fernwärmenetze integrieren können.

Die massenhafte Einkopplung von Solarthermie ist aufgrund unterschiedlicher Drücke und Temperaturen im Vergleich zu den herkömmlichen Fernwärmequellen technisch aufwendig, aber durchaus möglich. Allerdings braucht man für die Gewinnung der Sonnenwärme große Flächen – und die sind in einer Stadt kaum vorhanden. Eine Installation auf Dächern ist zwar denkbar, aber zu teuer.

Im ländlichen Raum hingegen sind die Flächen vorhanden, allerdings meist nicht die zur Wärmenutzung nötigen Wärmenetze. Ihr Bau ist mitunter nicht wirtschaftlich darstellbar, denn auf dem Land müssten die Wärmeleitungen über größere Entfernungen mit wenigen Abnehmern auskommen, die durch den demografischen Wandel sogar noch weniger werden.

Beispiele für Solarthermieanlagen mit Wärmenetz

Trotzdem gibt es einige Beispiele für die Solarthermienutzung in Deutschland. Eines davon findet man in Radolfzell am Bodensee. Im Ortsteil Liggeringen wird eine 6 000 m2 große Solarthermieanlage für ein Nahwärmenetz installiert. Wirtschaftlich wäre dies mit 150 angeschlossenen Kunden. Im brandenburgischen Senftenberg wurde mit 8 300 m2 bereits die deutschlandweit größte Solarthermieanlage errichtet, die ins Wärmenetz der Stadt einspeist. In Crailsheim, Baden-Württemberg, steht mit 7 500 m2 Fläche eine unwesentlich kleinere Anlage, die jedoch über einen sehr großen saisonalen Speicher verfügt. Sie speist ebenfalls in ein 18 km langes Wärmenetz ein.

In Crailsheim wird eine Kombination genutzt, die bei unseren nördlichen Nachbarn in Dänemark schon längst Standard ist – und das in viel größeren Dimensionen. In Voljens etwa wurden 54 000 m2 Solarthermiekollektoren auf einer Wiese installiert. Gespeist wird daraus ein lokales Wärmenetz. Zur winterliche Absicherung dient ein 200 000 m3 fassender Erdbeckenspeicher. In die Anlage, zu der auch ein 10-MW-Elektrodenkessel sowie ein 7-MW-Gaskessel gehören, wurden 23 Mio. Euro investiert. Sie versorgt rund 7 000 Einwohner.

Die Solarthermie deckt den überwiegenden Teil des jährlichen Wärmebedarfs von 28 Mio. kWh ab. Auch finanziell geht die Rechnung auf: Die aktuellen Fernwärmepreise liegen mit rund 10 Ct/kWh zwar gut 20 % über den vergleichbaren deutschen Fernwärmepreisen. Doch dies ist auch dem höheren dänischen Mehrwertsteuersatz von 25 % geschuldet.

In Dänemark gibt es mehrere solcher Projekte, alle im ländlichen Raum. Unterstützt wird die Technologie durch eine dänische Besonderheit: Nach der Ölkrise in den 1970er-Jahren setzte das Königreich flächendeckend auf Fernwärmenetze, die mit Wärme aus Stein- und Braunkohle beliefert wurden. Diese Netze werden nun nach und nach umgestellt auf erneuerbare Wärme, meist aus Biomasse und Solarthermie.

Lösungen für den städtischen Raum gesucht

Hierzulande sind jedoch auch Lösungen für den städtischen Raum gefragt. Denn hier befindet sich der Schwerpunkt der deutschen Fernwärmeversorgung, während es in ländlichen Gebieten maximal kleine Nahwärmenetze oder Quartierlösungen gibt.

Ein Beispiel für eine Lösung, wenn auch nicht in der Größe der dänischen Vorbilder, kann man in der österreichischen Stadt Graz begutachten. Seit 2002 betreibt ein Contractor im Auftrag der Energie Graz GmbH & Co. KG auf dem Dach der UPC-Arena eine 1 407 m2 große Solarthermieanlage. Sie erzeugt rund 0,54 Mio. kWh jährlich, die direkt ins Fernwärmenetz eingespeist werden.

In Deutschland gibt es mit dem Hamburger Energiebunker und seinen 1 348 m2 Kollektorfläche ein vergleichbares Objekt. Insgesamt sind hierzulande 47 000 m2 Solarkollektoren, die je Anlage mehr als 1 000 m2 Fläche haben, in Wärmenetze eingebunden, so der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK (AGFW). Sie erzeugen eine thermische Spitzenleistung von 33 MW.

Das Gros der Anlagen ist jedoch deutlich kleiner wie eine 200 m2 große Fläche auf einem Neubauprojekt der Rheinwohnungsbau in Düsseldorf-Heerdt. Unterstützt wurde die Anlage durch das Forschungsprojekt „Solarthermische Einspeisung ins Fernwärmenetz“ des Bundesministeriums für Wirtschaft. Das Projekt soll die technische Machbarkeit bezüglich Druck und Temperatur untersuchen, die den wechselnden technischen Bedingungen des Netzes anzupassen sind.

Auch die Stadtwerke Jena testen eine solche Anlage. Mit 100 m2 wurde sie gleich passend auf dem Dach einer Fernwärmestation im Ortsteil Winzerla platziert. „Die Erfahrungen sind gut. Allerdings mangelt es in städtischen Räumen meist, wie hier in Jena, an ausreichenden Flächen für solche Anlagen“, bringt es Frank Schöttke von den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck auf den Punkt. Eine technische Besonderheit dabei ist, dass auf Wärmetauscher verzichtet und die via Kollektoren erzeugte Wärme direkt ins Fernwärmenetz eingespeist wird. Deshalb bedarf es auch keiner Anpassung von Druck und Temperatur, wie das bei anderen Anlagen der Fall ist.

Jährlich produziert die Anlage 40 000 kWh, was in etwa ausreicht, um zwei Einfamilienhäuser zu versorgen. Damit arbeitet sie sogar etwas effizienter als ursprünglich berechnet, auch wenn man nach Schöttkes Worten nicht von einem wirtschaftlichen Betrieb sprechen kann. Aber das sei auch nicht das Anliegen gewesen, sondern die Prüfung der technischen Möglichkeiten einer solchen Einbindung. Derzeit seien keine weiteren Anlagen geplant.

Wachsendes Interesse an der Solarthermienutzung

„Um Solarthermie wirtschaftlich nutzen zu können, braucht es große Flächen, möglichst ebenerdig oder auf ausreichend großen Dächern, die die erforderliche Tragfähigkeit mitbringen und sich auch noch in der Nähe eines bestehenden Fernwärmenetzes befinden. Solche Flächen stehen uns in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung“, so Schöttke.

Erfolgversprechender sei da die Nutzung von Biomasse. Die Jenaer betreiben im nahegelegenen Hermsdorf ein entsprechendes Heizkraftwerk inklusive einer Power-to-Heat-Anlage zum Lastmanagement und zur Bereitstellung von Regelenergie. Eine Biogasanlage, die gemeinsam mit einer Agrargenossenschaft betrieben wird, deckt zudem 2 % des Jenaer Fernwärmeverbrauchs ab.

Trotz der wenigen Beispiele ist am Markt eine Zunahme solcher Projekte zu verzeichnen. „Wurden Solarkollektoren in den letzten Jahren hauptsächlich auf Eigenheimen errichtet, so registrierte die Branche 2017 ein wachsendes Interesse von Stadtwerken, Gewerbe und Kommunen an solarthermischen Großanlagen zur Nah- und Fernwärmeerzeugung. Großanlagen können nach BSW-Angaben inzwischen klimafreundliche Wärme für unter fünf Cent pro Kilowattstunde liefern und stärkere Verbreitung finden“, so der Branchenverband BSW Solar.

Durch den Koalitionsvertrag von Union und SPD − sollte dieser so umgesetzt werden − könnte diese Entwicklung einen zusätzlichen Schub erhalten. Darin heißt es: „Wir wollen für die Erreichung der Klimaziele und zur Beschleunigung der Energiewende im Wärmesektor die Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebereich weiter voranbringen. Dabei gelten für uns weiterhin die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, der Technologieoffenheit, der Vereinfachung sowie der Freiwilligkeit. Die anzustrebenden CO2-Einsparungen können auch auf Quartierebene bilanziert werden.“ Dies ist genau der bisherige Einsatzort für Solarthermie in Wärmenetzen in Deutschland.

Webseite der Fachzeitschrift "Energie & Management"
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