Rastatt | 4. September 2020 |

Corona-Krise verschärft die Probleme bei der Energiewende

Die Corona-Krise verringert zwar kurzfristig den Treibhausgas-Ausstoß, behindert langfristig aber die deutsche Energiewende, so die Unternehmensberatung McKinsey bei der Vorstellung des aktuellen Energiewende-Index.

Seit 2012 gibt McKinsey zweimal im Jahr einen Energiewende-Index heraus. Darin sind 15 Ziele formuliert, die es bis zu 2030 zu erreichen gilt, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Mit Stand September 2020 ergibt sich laut McKinsey folgendes Bild: „Acht der 15 Ziele sind noch realistisch zu erreichen, drei davon stehen aber auf der Kippe. Für fünf Indikatoren ist die Zielerreichung schon länger unrealistisch.“ Bei zwei weiteren Zielen bestehe Anpassungsbedarf.

„Die Corona-Krise verschärft die Probleme bei der Energiewende“, teilt McKinsey weiter mit. Zwar hätten die wirtschaftlichen Einschränkungen den Ausstoß an CO2-Emissionen verlangsamt, gleichwohl stockt mit der Pandemie auch der Ausbau vor allem der Windkraft und des Stromnetzes, auch die Arbeitsplätze im Bereich Ökoenergien würden weniger.

Ganz düster sieht es beim Verkehr aus

Wie der Energiewende-Index laut McKinsey zeigt, sind die Ziele bei fünf Indikatoren fast nicht mehr zu erreichen. Der angestrebte Rückgang des Primärenenergieverbrauchs wurde bislang erst zu knapp 60 % erreicht. Noch düsterer sieht es beim Verkehr aus. Dort wurde im ersten Halbjahr 2020 das Ziel nur zu 19 % erreicht. „Von den aktuell über 760.000 geforderten E-Autos ist Deutschland fast eine halbe Million Fahrzeuge entfernt.“

Auch der Ausbau der Transportnetze hängt gewaltig und wird mit einer aktuellen Zielerreichung von lediglich 35 % „immer unrealistischer“. 3.321 Kilometer hätten bis Mitte 2020 fertiggestellt sein müssen, um auf dem Zielpfad zu bleiben – realisiert wurden 1.340 Kilometer. Beim Haushaltsstrompreis ist man ebenfalls weit hinter dem Ziel: „Mittlerweile liegt dieser fast 56 % über dem europäischen Durchschnitt.“

Obwohl es bei einigen Zwischenzielen aktuell ganz gut aussieht, dürfte es doch schwierig werden diese bis zum Ende 2030 einzuhalten. So erreichen die erneuerbaren Energien mit 17,1 % annähernd den geforderten Beitrag am gesamten Energieverbrauch. „Doch ohne umfassende Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors wird sich die Bilanz in den nächsten Jahren verschlechtern.“ Der Anteil der erneuerbaren Energien müsste doppelt so schnell ansteigen, um die geforderten 30 % bis 2030 zu erreichen.

Wärmewende mit extrem Nachholbedarf

Vergleichbares gilt für den Wärmesektor: Der Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmebereich ist mit aktuell 14 % dort, wo er sein soll. Allerdings um die Zielmarke von 27 % bis 2030 zu erreichen, müsste der Anteil der erneuerbaren Energien „ab jetzt achtmal schneller ansteigen als im vergangenen Jahrzehnt“. Beim CO2-Ausstoß und bei den Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien ist man nicht ganz auf dem Weg. Wenn man sich etwas mehr Mühe gäbe, können die Zielwerte dort erreicht werden.

Energiewende stockte schon vor Corona

Bei fünf Indikatoren ist man hingegen auf Kurs: beim Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch, bei den Gesamtenergiekosten für Haushalte, der verfügbaren Kapazität für Import aus Nachbarländern sowie der Ausfall der Stromversorgung und die Industriestrompreise.

Laut McKinsey war die Energiewende schon vor dem Ausbruch der Pandemie ins Straucheln gekommen. Die Corona-Krise hat das noch beschleunigt: Der Windkraftausbau hat 2020 zwar im Vergleich zum schwachen Ausbaujahr 2019 etwas angezogen, liegt aber immer noch weit hinter den Zahlen des Jahres 2018. „Bis zu 15 % aller Erneuerbaren-Projekte in Europa könnten durch die Corona-Pandemie verzögert oder annulliert werden.“

Die eingesparten CO2-Emissionen im Zuge der Corona-Krise könnten zudem bald Makulatur sein. Sollte sich die Konjunktur schnell erholen, könnte sich der „Corona-Effekt“ sogar komplett verlieren, so McKinsey. Der Blick nach China legt dies nahe: Schon sieben Wochen nach dem schrittweisen Hochfahren der Wirtschaft kehrte die Kohleverstromung auf ihr Vorkrisenniveau zurück.

Die Ergebnisse des Energiewende-Index können auf der Internetseite von McKinsey abgerufen werden.

Energiewende-Index von McKinsey
Energiewende-Index von McKinsey

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