Herrsching | 1. Dezember 2022 |

Österreich nun mit Strompreisbremse

Vier Millionen österreichischen Haushalten wird automatisch ein Abzug von ihrer Stromrechnung gewährt. Eine „Gaspreisbremse“ wie in Deutschland lehnt die Regierung ab.

Seit dem 1. Dezember gilt in Österreich die sogenannte „Strompreisbremse“ für die etwa vier Millionen Haushalte. Wie berichtet, bekommen sie bis einschließlich 30. Juni 2024 für einen Stromverbrauch von bis zu 2.900 kWh Strom pro Jahr einen Kostenzuschuss des Bundes von 30 Cent/kWh. Zum Tragen kommt dieser, wenn der Strompreis eines Haushaltes 10 Cent/kWh überschreitet. Der darüber liegende Preisanteil bis zu einer Obergrenze von 40 Cent/kWh wird aus dem Bundesbudget bezahlt. Übersteigt der Preis 40 Cent und liegt etwa bei 45 Cent, verteuert sich der „bezuschusste“ Verbrauch entsprechend, im genannten Fall auf 15 Cent/kWh.

Für den über 2.900 kWh hinausgehenden Bedarf der Haushalte ist der von ihrem Versorger angebotene Preis zu bezahlen. Insgesamt wendet Österreich für die „Strombremse“ insgesamt rund vier Milliarden Euro auf, berichtete Finanzminister Magnus Brunner (Österreichische Volkspartei / ÖVP, konservativ) bei einer Pressekonferenz zum Beginn der Aktion.

Automatische Abwicklung

Abwicklungstechnisch funktioniert die „Bremse“ so: Der jeweilige Betreiber des Strom-Verteilnetzes stellt das Verbrauchsverhalten an jedem Anschlusspunkt an sein Netz fest. Entspricht dieses dem typischen Verhalten eines Haushalts, wird der Anschlusspunkt als „Haushalts-Zählpunkt“ eingestuft. Der für den Zählpunkt zuständige Versorger hat auf diesen die „Strompreisbremse“ anzuwenden und den dort auftretenden Verbrauch entsprechend abzurechnen. Dies erfolgt durch einen automatischen Abzug von der Höhe der nächsten Stromrechnung, jedenfalls aber von der nächsten Jahresabrechnung für elektrische Energie.

Es ist also nicht notwendig, einen Antrag auf Gewährung der „Preisbremse“ zu stellen oder in sonstiger Weise tätig zu werden, um in deren Genuss zu kommen, betonten Fachleute der Regierung und der Elektrizitätswirtschaft. Niemand brauche etwa ein Servicezentrum zu kontaktieren. Warnend ergänzte die Elektrizitätswirtschaft, durch die „Preisbremse“ falle nicht jede Stromrechnung zwangsläufig niedriger aus. Nur allfällige Erhöhungen aufgrund der Situation im Großhandel würden eben „gebremst“.

Keine Gaspreisbremse

Eine „Gaspreisbremse“ wie in Deutschland werde es in Österreich nicht geben, betonte Brunner einmal mehr. In der Bundesrepublik heizen ihm zufolge etwa 49 Prozent der Haushalte mit Erdgas, in Österreich dagegen nur 25 Prozent. Überdies bestehe ein erhebliches „Ost-West-Gefälle“: Der Großteil der Gasheizungen befinde sich im Osten Österreichs. In westlichen Bundesländern wie Salzburg würden dagegen 91 Prozent der Haushalte nicht von einer „Gaspreisbremse“ profitieren, in Tirol 90 Prozent, in Kärnten sogar 97 Prozent: „Dafür hätten viele Bürger kein Verständnis.“

Auch sei die Entlastung der einzelnen Haushalte durch die „Strompreisbremse“ in Österreich etwa doppelt so hoch wie jene durch deren geplantes Gegenstück in Deutschland. Personen, die von der Rundfunk- und Fernsehgebühr befreit sind, werden überdies 75 Prozent der Netzkosten vom Bund erstattet. Ferner arbeiten Fachleute der Regierung an einer zusätzlichen Entlastung für Haushalte, in denen mehr als drei Personen leben. Für jede weitere Person wird der subventionierte Verbrauch um 350 kWh/Jahr erhöht. In einem Vier-Personen-Haushalt beläuft er sich somit auf 3.250 kWh/Jahr. Umgesetzt wird dies laut Brunner im Frühjahr 2023, mit rückwirkender Geltung ab 1. Dezember 2022. Die Details seien noch zu klären.

Kritik der Sozialdemokraten

Der Wirtschaftssprecher der Sozialdemokraten (SPÖ) im Parlament, Christoph Matznetter, kritisierte Brunner bei einem Hintergrundgespräch heftig. Dessen Behauptung, die Entlastung der Haushalte durch die österreichische Strompreisbremse sei doppelt so hoch wie jene durch die deutsche, sei falsch. In Österreich werde die Entlastung nämlich netto berechnet, also ohne Steuern und Abgaben. Diese seien weiter zu entrichten und damit von der Entlastung abzuziehen. In Deutschland dagegen erfolge die Entlastung brutto.

Zudem erwartet Matznetter, dass Brunners Absage an die „Gaspreisbremse“ nicht durchzuhalten ist und in Bälde Vorschläge für eine solche ergehen werden. Mehrere der ÖVP angehörige Landeshauptleute (Ministerpräsidenten) hätten sich für eine Begrenzung der Gaspreise ausgesprochen, darunter die Landeshauptfrau von Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner. Sie muss bei der Landtagswahl am 29.N Januar mit Verlusten rechnen und forderte jüngst eine Gas- sowie Strompreisbremse nach deutschem Vorbild „noch vor Weihnachten.“

Nichts hält Matznetter von der Ankündigung Finanzminister Brunners, zwecks Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen auf die Maßnahmen Deutschlands mit der Ausnutzung neuer Möglichkeiten auf Basis des Behilfenrechts der EU zu reagieren: Auch Deutschland werde diese Möglichkeiten ja nutzen. Und versuche Österreich, Deutschland wegen Verstößen gegen das Beihilfenrecht zu belangen, „bekommen wir vielleicht 2027 ein Urteil des Gerichts der EU, das uns recht gibt. Aber das bringt unseren Unternehmen jetzt nichts.“

Neues Kurzseminar zur Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse
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