Problemstellung
Bei der Herstellung von Formaldehyd fällt einerseits Reaktionswärme, welche zur Wärmebereitstellung genutzt werden kann, und andererseits Schwachgas an. Das Schwachgas wurde bei Krems Chemie bisher zur Dampferzeugung genutzt, welcher für die Kunstharzproduktion verwendet wurde. Durch die Kombination des Formaldehydprozesses mit dem Kunstharzprozeß entstand bei Krems Chemie ein beinahe energieautarkes und damit umweltfreundliches System. Aufgrund des außergewöhnlich schnellen Wachstums der Produktionskapazitäten bei Krems Chemie und der Tatsache, daß die Kapazität bei der Formaldehyd-Produktion (Schwachgaserzeuger) stärker ausgebaut wurde, blieb an Tagen, an denen die Kunstharzproduktion (als Energieabnehmer) nicht voll ausgelastet war, Energie in Form von Dampf ungenutzt übrig. Nun bestand grundsätzlich die Möglichkeit, diesen Dampf mittels einer Dampfturbine zur Stromerzeugung zu nutzen.
Um einen Umweg über die Dampferzeugung zu vermeiden und einen höheren elektrischen Wirkungsgrad zu erreichen, wurde die Möglichkeit einer direkten Nutzung des bei der Formaldehyd-Prozesses entstehenden Schwachgases in einem Motor untersucht. Dabei bereitete der niedrige Energiegehalt des Schwachgases (siehe Heizwert-Vergleich in der folgenden Abbildung) ein technologisches Problem, welches durch das Unternehmen Jenbacher Energiesysteme gelöst werden konnte.
Innovative Lösung
In vier Jenbacher-Motoren (je 588 kWel) wird das niederkalorische Schwachgas verbrannt und dadurch bei einem elektrischen Wirkungsgrad von 34% und einer Betriebsdauer von 8.000 Stunden pro Jahr genügend Strom erzeugt, um rund 75% des Strombedarfs der Krems Chemie zu decken. Neben den schwierigen Verbrennungsverhältnisse bedingt durch den niedrigen Heizwert des Schwachgases mußte gewährleistet werden, daß sich der Druck des Schwachgases vor den Motoren nur geringfügig verändert. Mit einem neu entwickelten Regelkonzept konnten die Druckschwankungen im Schwachgas-Netz hervorragend kompensiert werden.
Aufgrund der Tatsache, daß die Stromerzeugung aus dem Schwachgas eine geringere Dampfproduktion zur Folge hatte, als die ursprüngliche Dampfbereitstellung mittels Dampfkessel, mußte ein zusätzlicher Dampfkessel installiert werden. Außerdem verlagerte sich die werkseigene Dampferzeugung durch die Verstromung des Schwachgases in den Motoren von einer verbrauchsgeregelten Feuerung, welche in Abhängigkeit vom Dampfbedarf des Kunstharzprozesses geregelt wurde, zu einer ungeregelten Abwärmenutzung. Aus diesem Grund erwies sich die Installation eines Dampfspeichers als unumgänglich. Durch diesen Speicher werden die Bedarfsspitzen gepuffert. Außerdem kann die relativ träge Pechfeuerung, welche mit Rückständen aus der Tallöldestillation befeuert wird, verstärkt zur Dampferzeugung genutzt werden. Durch die Nutzung des Kiefernölpechs kann der Einsatz fossiler Brennstoffe wie Erdgas oder Rohöl zur Dampferzeugung weiter reduziert werden.
Insgesamt werden je Stunde 12.850 Normkubikmeter (Nm3) Schwachgas in den vier Motoren verbrannt und daraus 2.350 kWh Strom und 4.000 kg Dampf (10 bar) bereit gestellt sowie 12.000 kg Speisewasser vorgewärmt. Die Motoren weisen – in Abhängigkeit von der erzeugten Dampfmenge – einen Gesamtwirkungsgrad von 57%-67 % bei einem elektrischen Wirkungsgrad von 34% auf.
Markus Gailfuss, BHKW-Infozentrum Rastatt