Braunkohle-Kraftwerke in Kapazitätsreserve laut Gutachten beihilferelevant

Originalbericht von     Autor: Angelika Nikionok-Ehrlich

Rastatt, 17.08.2015

Die kostenträchtige Übernahme der Braunkohle-Kraftwerke in eine laut Bundesregierung eigentlich nicht notwendige Kapazitätsreserve könnte gemäß Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages beihilferelevant sein und müsste von der EU genehmigt werden (Bild: Roland Abel - Fotolia)
Die kostenträchtige Übernahme der Braunkohle-Kraftwerke in eine laut Bundesregierung eigentlich nicht notwendige Kapazitätsreserve könnte gemäß Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages beihilferelevant sein und müsste von der EU genehmigt werden (Roland Abel – Fotolia)

Die geplante Kapazitätsreserve und insbesondere die Braunkohle-Reserve ist beihilferelevant. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.

Noch arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) daran. die am 1. Juli veröffentlichten Eckpunkte zum Strommarkt in Gesetzestexte zu gießen. Die Referentenentwürfe sollen „möglichst rasch“ nach der Sommerpause vorgelegt werden, sagte eine Sprecherin auf Anfrage von E&M Powernews. Ein Punkt dabei ist die vorgesehene Kapazitätsreserve und die – statt der Klimaabgabe – geplante Einstellung von Braunkohle-Kraftwerken mit insgesamt 2,7 GW in eine Reserve. Das Vorhalten von Leistung soll dabei vergütet werden. Die Kosten von 230 Mio. Euro jährlich müssten von den Stromkunden getragen werden.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat nun die Frage geprüft, ob die Reserven unter die Beihilferichtlinien der EU-Kommission fallen und kommt zu einem „vorläufigen“ Ergebnis: Kapazitäts- wie auch Braunkohle-Reserve sind beihilferelevant, das heißt, sie stellen staatliche Beihilfen dar und entsprechend müsse ihre Vereinbarkeit mit den Beihilferegeln geprüft werden. Allerdings wird auch darauf verwiesen, dass die EU-Kommission einen breiten Spielraum für ihre Beurteilung hat, vor allem bei der Kapazitätsreserve.

Bei dieser sieht der Wissenschaftliche Dienst insbesondere zwei Punkte kritisch: Zum einen die Frage, ob die Kapazitätsreserve erforderlich ist. Denn selbst die Bundesregierung geht davon aus, dass die erwartete Jahreshöchstlast in Deutschland bis 2025 mit nahezu 100 % gedeckt wird. Zum anderen stellt sich die Frage, ob diese Beihilfe angemessen ist, weil die Vorhaltung von Leistung auch vergütet würde, wenn diese gar nicht benötigt wird.

Rechtmäßigkeit der Braunkohle-Beihile fraglich

Bei der Braunkohle-Reserve handelt es sich nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes um eine Beihilfe aufgrund der Staatlichkeit der Mittel. Dementsprechend müsse ihre Rechtmäßigkeit begründet werden. Diese erscheine allerdings fraglich: So gebe es keine Technologiefreiheit bei der Braunkohle-Reserve, wegen (im Gegensatz zur Kapazitätsreserve) fehlender Ausschreibungen „dürfte der Nachweis einer zulässigen Renditehöhe deutlich schwerer fallen“, heißt es weiter. Zudem werde die Braunkohle-Reserve der Soll-Vorgabe nicht gerecht, dass eine „Kapazitätsmaßnahme [grundsätzlich …] kohlenstoffarme Stromerzeuger bevorzugen sollte“.

Fazit: Nach den Beihilfe-Regeln sei es „schwer möglich“, die Braunkohle-Reserve zu rechtfertigen. „Die Braunkohle-Reserve ist nicht nur wirtschaftlicher und energiepolitischer Wahnsinn, sondern auch europapolitisch höchst fragwürdig. Wenn sich die EU-Kommission an ihre eigenen Beihilferegeln und klimapolitischen Beschlüsse hält, wird die Harakiri-Aktion der Kohle-Lobby gegen eine geordnete Reduzierung der Kohlekraftwerke der Bundesregierung in Brüssel noch mächtig auf die Füße fallen“, kommentiert Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag. Es gebe klimapolitisch wesentlich effizientere und wirksamere Instrumente, wie z.B. CO2-Grenzwerte oder einen CO2-Mindestpreis, betont sie. „Solche Instrumente stellen auch keine illegalen Beihilfen dar.“

BMWi will die Regelungen beihilferechtskonform ausgestalten

Das BMWi erklärt auf Anfrage, das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages liege dem Bundeswirtschaftsministerium nicht vor. „Daher kann zu Einzelheiten des Gutachtens keine Stellung genommen werden.“ Allerdings, so heißt es weiter, weise das Eckpunktepapier vom 1. Juli 2015, welches die Eckpunkte des CO2-Minderungsbeitrages und der Kapazitätsreserve darstellt, auf Seite 7 bereits darauf hin: „Die Bundesregierung wird mit der EU-Kommission klären, wie die konkrete Umsetzung beihilferechtskonform ausgestaltet werden kann“.

Das Bundeswirtschaftsministerium arbeite derzeit an der Umsetzung des Eckpunktepapiers und prüfe in diesem Zusammenhang auch, ob die angestrebte Kapazitätsreserve eine Beihilfe darstellt. „Sollte dies der Fall sein, so wäre ein gesetzlicher Regelungsentwurf gemäß den Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien der EU formell zu notifizieren“, heißt es dazu. Das sei „ein übliches Verfahren“, das in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich durchgeführt wurde, wird betont.

„Allein der Umstand, dass es sich um eine Beihilfe handeln könnte, heißt nicht, dass die Maßnahme nicht ergriffen werden kann. Vielmehr geht es um die Frage, ist diese Beihilfe europarechtlich zulässig oder unzulässig. Beihilfen können nur dann nicht eingeführt werden, wenn sie unzulässig sind. Selbstverständlich erfolgt die Ausarbeitung und Ausgestaltung der Reserve durch die Bundesregierung regelkonform“, so das BMWi.

Autor: Angelika Nikionok-Ehrlich (Energie&Management) | Bild: Roland Abel – Fotolia

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