EuGH-Entscheidung über Gaspreisänderungsklausel: Bundesgerichtshof muss nun entscheiden

Berlin, 21.03.2013

 

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat heute sein lang erwartetes Urteil zur Missbrauchskontrolle einer in deutschen Gasversorgungsverträgen häufig verwendeten Preisänderungsklausel verkündet. Danach ist es nun Sache des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) darüber zu entscheiden, ob diese Klausel missbräuchlich ist und den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt die Entscheidung. Denn der EuGH bestätigt damit, dass die Konkretisierung der europäischen Vorgaben an den Verbraucherschutz den Mitgliedstaaten und deren Kontrolle den nationalen Gerichten obliegt.

Hintergrund der EuGH-Entscheidung ist ein vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anhängiger Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale NRW und der RWE Vertrieb AG. Dabei geht es um die Wirksamkeit von Gaspreisänderungen in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 1. Oktober 2005. Grundlage dieser Preisänderungen war eine vertragliche Klausel, die 1:1 der gesetzlichen Preisänderungsregelung des § 4 Abs. 2 der bis zum 8. November 2006 geltenden Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) entspricht. Die Klausel erlaubt dem Gasversorger einseitige Preisänderungen während der Vertragslaufzeit.

Der BGH hatte dem EuGH hierzu die Fragen vorgelegt, ob eine dem § 4 Abs. 2 AVBGasV inhaltsgleich entsprechende Preisänderungsklausel in Gaslieferverträgen mit Verbrauchern (Sonderverträgen) der Missbrauchskontrolle unterliegt und den europäischen Transparenzvorgaben entspricht. Der EuGH stellt fest, dass er nicht über diesen nationalen Rechtsstreit abschließend ent-scheiden kann, sondern es nun Sache des BGH ist, im Einklang mit der EuGH-Entscheidung den Rechtsstreit zu beurteilen. „Die Frage der Wirksamkeit der streitigen Preisänderungsklausel und die damit verbundene Feststellung der Wirksamkeit der darauf beruhenden Preisänderungen entscheidet somit nur der Bundesgerichtshof“, so VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die streitige Preisänderungsklausel grundsätzlich der Missbrauchskontrolle unterliegt, weil sie verbindlich nur für die Versorgung von Tarifkunden, nicht hingegen für Sonderverträge galt. Gleichwohl hat der Gasversorger auch bei diesen Verträgen das Recht, die Preise für seine Leistungen einseitig zu ändern. Dies ist vom europäischen Gesetzgeber anerkannt. Allerdings muss eine Vertragsklausel, die eine solche einseitige Anpassung erlaubt, den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügen. Daher müssen im Vertrag der Anlass und der Modus der Preisänderung so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann. Außerdem muss der Verbraucher bei Preisänderung von der ihm eingeräumten Kündigungsmöglichkeit unter den gegebenen Bedingungen auch tatsächlich Gebrauch machen können. Ob diese Anforderungen in jedem Einzelfall erfüllt sind, müssen die nationalen Gerichte entscheiden, so der EuGH in seiner Bewertung. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung bislang davon aus, dass die unveränderte vertragliche Übernahme der gesetzlichen Bestimmungen der AVBGasV mit den europäischen Vorgaben im Einklang steht und den Verbraucher nicht benachteiligt. Dieser sogenannten Leitbildfunktion sind daher viele deutsche Gaslieferanten bei der Formulierung ihrer sondervertraglichen Preisänderungsklauseln gefolgt. „Sollten diese Klauseln dennoch formal-juristisch unwirksam gewesen sein, bedeutet dies aber nicht zwangsläufig, dass kein Recht zu Preisänderungen bestand“, stellt Reck fest.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist der Energielieferant berechtigt, insbesondere Änderungen der Bezugspreise an seinen Kunden im laufenden Vertragsverhältnis weiterzugeben. Anderenfalls entstünde angesichts der Entwicklung der Energiepreise bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht zu Lasten des Energielieferanten. „Daher hat der BGH deutlich gemacht, dass die formale Unwirksamkeit von Preisänderungen rückwirkend nicht ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden kann. Dies gilt nach den letzten BGH-Urteilen aus dem Januar diesen Jahres gerade auch vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung zur Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen“, so Reck.

Quelle: VKU – Verband kommunaler Unternehmen
Bildquelle: VKU / regentaucher.com

 

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