Das vor 5 Jahren mit hochgesteckten Zielen begonnene Projekt eines Volks-BHKW ist nach vielen Rückschlägen gescheitert. Lichtblick erwägt eine Schadenersatzklage gegen VW und wird voraussichtlich mehr als 10% seines Personals abbauen.
Rastatt, 30.05.2014
Wenn zwei Menschen beschließen, gemeinsam durchs Leben zu gehen, wählen sie meist ein besonderes Datum, um die Ehe zu schließen. Der 9.9.2009 war ein solcher Tag, der nicht nur bei Hochzeitspaaren begehrt war, sondern auch den Rahmen für eine denkwürdige Pressekonferenz der Unternehmen Lichtblick und Volkswagen bieten sollte.
Ein neues Zeitalter sollte nach Aussagen der Marketingfachleute des Unternehmens Lichtblick beginnen. 100.000 BHKW-Anlagen wollte man binnen weniger Jahre installieren, die auch in Einfamilienhäusern hocheffizient Strom und Wärme erzeugen und mittels einer intelligenten Steuerung als „Schwarm“ die natürlich vorbestimmten Schwankungen der Wind- und PV-Anlagen ausgleichen sollten. Für eine geringe Investition sollte der Gebäudebesitzer von günstigen Wärmekosten profitieren. Das Blockheizkraftwerk, das nun „Zuhausekraftwerk“ genannt wurde, blieb aber in Besitz von Lichtblick. Der Strom wurde nicht an die Nutzer im Gebäude sondern über den Stromhandel direkt vermarktet.
Das Presseecho auf das „Volks-BHKW“ war grandios und die Meldung über das neue Zuhausekraftwerk mit Schwarmstrom-Intelligenz schaffte es bis in die Tagesschau. Ursächlich für das große Medienecho war sicherlich auch die Tatsache, dass mit VW ein Großkonzern aus der Automobilindustrie maßgeblich am Projekt beteiligt war. Eine eigene Fertigungsstraße wurde im Werk in Salzgitter aufgebaut und ein VW-Motor im Aggregat verbaut.
Projekt mit schwieriger Anlaufphase
Bereits von Beginn an geriet das Projekt ins Stocken. Einerseits gab es Probleme bei der technischen Umsetzung der BHKW-Anlage und bei der Einbindung in die jeweiligen Gebäude. Andererseits konnten die vielen Anfragen nicht zeitnah befriedigt werden. Erst ein Jahr später fanden die ersten Kraftwerke ihr Zuhause. Der Vertrieb erfolgte eher schleppend.
Die größten Probleme bereitete aber das Schwarmstromkonzept selbst: Die BHKW sollten mit großen Wärmespeicherkaskaden ausgestattet möglichst in den Stunden laufen, in denen hohe Strompreise an der Börse erzielbar waren. Daher wurden die BHKW auf jährliche Laufzeiten zwischen 1.500 Stunden und 2.000 Stunden konzipiert. Aufgrund des an Fahrt gewonnenen Ausbaus erneuerbarer Energien – und hierbei insbesondere der Photovoltaik – kam es aber zu einem deutlichen Strompreiseinbruch an der Strombörse. Damit war dem Konzept das zentrale Element, nämlich die Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch höhere Stromerlöse, abhandengekommen.
Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Verkaufszahlen klaffte immer weiter auseinander. Angesichts der Tatsache, dass VW als Automobilkonzern mit der Erwartung hoher Stückzahlen in das Projekt eingestiegen war, barg diese Konstellation über kurz oder lang ein hohes Konfliktpotential in sich.
Nachdem bis Oktober 2012 – also mehr als drei Jahre nach der Pressekonferenz – gerade einmal 600 Zuhausekraftwerke ihren Weg in den Heizungskeller gefunden hatten, wurde das ursprüngliche Konzept beendet. Die Marketingabteilung machte aus der Neukonzeption eine „Ausweitung des Lichtblick-Konzeptes„. In Wahrheit wurde durch den seit Oktober 2012 ermöglichten Verkauf des Zuhausekraftwerk das auf Contracting basierende Ursprungskonzept mit dem Ziel aufgegeben, die Produktionszahlen zu erhöhen. Dies gelang aber nur teilweise. Im Mai 2014 waren insgesamt rund 1.500 Zuhausekraftwerke installiert.
Lichtblick und VW geben Trennung bekannt
An einem wenig symbolträchtigen Datum, nämlich am 28. Mai 2014, gab nun das Hamburger Unternehmen Lichtblick bekannt, dass es zukünftig keine Blockheizkraftwerke (Zuhausekraftwerke) von Volkswagen mehr anbiete.
Wie bei vielen Ehen erfolgt auch diese Trennung ganz und gar nicht einvernehmlich. Lichtblick erhebt schwere Vorwürfe gegenüber Volkswagen. Der Autobauer solle bei dem Gemeinschaftsprojekt für hochmoderne Mini-Kraftwerke wesentliche wirtschaftliche Vertragsvereinbarungen verletzt haben. Die Wolfsburger hätten die Kooperation angeblich mit einem realitätsfernen Preisdiktat vor die Wand gefahren.
„Wir haben fünf Jahre gemeinsam gesät. Doch jetzt, wenn die Ernte eingefahren werden soll, sind wir nicht mehr daran beteiligt“, wetterte Lichtblick-Chef Heiko von Tschischwitz im „Hamburger Abendblatt“, das als erstes über den Streit berichtete. In dem Bericht „Energieversorger LichtBlick droht Volkswagen mit Klage“ wird auch von einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den einstigen Kooperationspartnern berichtet.
Lichtblick will Kompetenzen bei intelligenter Kraftwerkssteuerung ausbauen
Nach Angaben von Lichtblick ändere sich für Immobilienbesitzer, die bereits ein ZuhauseKraftwerk im Keller haben, nichts. Bestehende Kundenverträge werde man langfristig erfüllen. Trotz der Aufgabe des BHKW-Geschäftes wolle der Energieanbieter an seiner SchwarmStrom-Strategie festhalten, zu der die IT-Plattform SchwarmDirigent zur bedarfsabhängigen Steuerung dezentraler Erzeugungseinheiten und Verbraucher gehöre. LichtBlick werde als Dienstleister weiterhin BHKW und Heizkraftwerke anderer Anbieter, Wärmepumpen, Batteriespeicher, Elektrofahrzeuge, Solaranlagen und Windräder in seinen „Schwarm“ einbinden, um den Beteiligten Zusatzerlöse zu sichern. Auch der kürzlich eingeführte Mieterstrom-Tarif zur Eigennutzung des ZuhauseStroms solle weiter angeboten werden, allerdings nur noch mit Stromlieferung aus Fremdfabrikaten.
Stellenabbau bei Lichtblick
Zwar spielte das BHKW-Geschäft für den Konzernumsatz des Ökoenergieanbieters eine absolut untergeordnete Rolle, trotzdem stehe nun ein Stellenabbau „im höheren zweistelligen Bereich“ an, der in der nächsten Woche mit dem Lichtblick-Betriebsrat erörtert werde. Dabei hoffe man, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen, so die Auskunft aus Hamburg. Jeder siebte Mitarbeiter stehe derzeit zur Disposition.
Volkswagen will dem BHKW-Markt treu bleiben
Volkswagen indes spricht von Schwierigkeiten bei Vertragsverhandlungen rund um das Zuhausekraftwerk-Projekt und bedauerte das Ende der Kooperation für die kleinen Kraftwerke, die dezentral über Gasmotoren Wohngebäude, kleine Firmen, Kindertagesstätten, Altenheime, Kirchen oder Hotels versorgen. Nach Angaben von VW habe man Lichtblick ein nachgebessertes Angebot vorgelegt, das aber Lichtblick nicht akzeptiert habe. Insgesamt seien die Vorstellungen bei dem Mini-KWK-Projekt jedoch weit auseinander gelegen.
Der Wolfsburger VW-Konzern setzt nun auf seine „bestehenden alternativen Vertriebspartner“. Ob Unternehmen wie das Schweinfurter Unternehmen SenerTec, die das VW-Aggregat seit kurzem vertreiben, Absatzzahlen für Volkswagen realisieren können, die eine gut ausgelastete Serienproduktion bei akzeptablen Anlagenpreisen ermöglichen, darf angezweifelt werden. Derzeit werden im Marktsegment der BHKW-Anlagen von 10-20 kW elektrischer Leistung von allen BHKW-Herstellern pro Jahr rund 1.000 Anlagen realisiert (KWK-Ausbau in Deutschland von 2009 bis 2013). Das ist in seiner Gesamtheit gerade einmal ein Zehntel dessen, was der Businessplan des ursprünglichen Lichtblick-/VW-Projektes vorsah.
Autor: Markus Gailfuß
Bild: Lichtblick AG / Manfred Witt