Gibt es einen Bestandsschutz für BHKW-Anlagen mit Entfall der EEG-Umlage bei Stromlieferung an Dritte?

Immer wieder liest man in Foren, dass Betreiber von BHKW-Anlagen, die vor dem 1.8.2014 in Betrieb gegangen sind, keine EEG-Umlage abführen müssen (Bestandsschutz EEG-Umlage). Wir sprechen über dieses Thema mit den beiden Referenten des Intensivseminars „EEG-Umlage – Bestimmungen für BHKW- und PV-Betreiber“ – Dr. Manuela Herms und Dr. Christoph Richter von der prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Leipzig.

 

Frau Dr. Herms und Herr Dr. Richter – was ist dran an der Aussage, dass Betreiber von BHKW-Anlagen, die vor dem 1.8.2014 in Betrieb gegangen sind, keine EEG-Umlage zahlen müssen?

Im Kern trifft diese Aussage zu – allerdings gilt sie nur für die Eigenversorgung mit Strom aus dem BHKW, also nur für den Strom, den der Betreiber der BHKW-Anlage in persona selbst verbraucht. Dabei genügt es für die volle Umlagebefreiung noch nicht, dass das BHKW vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen wurde. Vielmehr muss vor diesem Stichtag auch schon eine Eigenversorgung aus der Anlage erfolgt sein, und zwar durch denselben Betreiber. Insofern kann man hier mit Fug und Recht von dem Erfordernis einer „doppelten Personenidentität“ sprechen. Nachträgliche Änderungen an der Eigenversorgungskonstellation wie etwa ein Betreiberwechsel oder eine Erneuerung bzw. Ersetzung des Generators können deshalb auch das Umlageprivileg gefährden. Zudem ist darauf zu achten, dass die nach § 74a Abs. 1 EEG 2017 erforderliche Basisdatenmeldung an den zuständigen Netzbetreiber erfolgt ist.

Um für den selbstverbrauchten Strom vollständig von der EEG-Umlage befreit zu sein (und zu bleiben), ist daher einiges zu beachten. Vor allem aber gilt: Für Stromlieferungen an Dritte ist unabhängig vom Inbetriebnahmezeitpunkt der Anlage immer die volle EEG-Umlage durch den Anlagenbetreiber abzuführen.

 

Existiert für die Stromlieferung an Dritte kein Entfall der EEG-Umlagepflicht, wenn die BHKW-Anlage vor dem 1.8.2014 in Betrieb gegangen ist?

Nein, hier gibt es keine Ausnahmen. Entgegen der weitverbreiteten Auffassung unter den Anlagenbetreibern waren Stromlieferungen an Dritte schon immer zu 100 % umlagepflichtig.

 

Schon immer? Gab es da kein Urteil, das im Jahre 2009 zum Bestandsschutz bei der EEG-Umlage ergangen ist?

Richtig, der BGH hatte im Jahr 2009 zur Rechtslage nach dem EEG 2004 geurteilt, dass eine Belieferung von Dritten immer dann gegeben ist, wenn Stromerzeuger und Stromverbrauch nicht dieselbe juristische oder natürliche Person sind. Das Gericht hat hiermit klargestellt, dass solche Strommengen dem Ausgleichsmechanismus des EEG unterfallen – und zwar unabhängig davon, ob der Strom über das öffentliche Netz geliefert wird oder nicht. Konkret ging es in diesem Fall um die Belieferung von Schwesterunternehmen im Konzernverhältnis.

Das bedeutet aber nicht, dass es erst seit 2009 eine solche Pflicht gäbe. Vielmehr – und das hat der BGH in seinem Urteil letztlich genauso bestätigt – existiert eine entsprechende Regelung bereits seit Inkrafttreten des EEG im Jahr 2000. Damals gab es zwar strenggenommen die EEG-Umlage, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht. Der Ausgleichsmechanismus funktionierte seinerzeit über die Verpflichtung der Stromlieferanten, eine anteilige Menge EEG-Strom abzunehmen und zu vergüten. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass sämtliche an Dritte gelieferte Strommengen schon seit dem Jahr 2000 in den EEG-Ausgleichsmechanismus einbezogen waren – sei es nun über physikalische Stromlieferungen oder die Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage.

 

Was passiert, wenn sich herausstellt, dass die angebliche „Eigenversorgung“ eine Stromlieferung an Dritte war – oder zumindest teilweise auch eine Stromlieferung an Dritte enthielt?

Relativ einfach zu beantworten ist die Frage für den Fall, dass tatsächlich der gesamte vermeintlich eigenverbrauchte Strom an Dritte geliefert wurde, beispielsweise von der Betreibergesellschaft an den Alleingesellschafter als Privatperson. Hier können die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Umlage zu 100 % nacherheben.

Schwieriger wird es allerdings, wenn in der Vergangenheit sowohl Eigenversorgung als auch Drittbelieferung stattfanden. Für den an Dritte gelieferten Stromanteil kann auch hier die volle EEG-Umlage nacherhoben werden, was in der Praxis allerdings zu dem Problem führt, dass regelmäßig keine Messwerte zur Abgrenzung der Strommengen vorhanden sind. Schlimmstenfalls kann die fehlende Abgrenzung dazu führen, dass auch für den tatsächlich selbstverbrauchten Stromanteil die volle EEG-Umlage nachzuentrichten ist.

Bis zum Jahresende gibt es hier aber noch Übergangsvorschriften: Wenn bis zum 31.12.2020 ein ordentliches Messkonzept umgesetzt wird, darf der umlagepflichtige Anlagenbetreiber die in der Vergangenheit an Dritte gelieferten Strommengen nachträglich noch sachgerecht schätzen.

 

Wie lange kann die EEG-Umlage nacherhoben werden?

Dies ist bis zur Grenze der Verjährung möglich. Regelmäßig sind dies drei Jahre, was allerdings voraussetzt, dass der zuständige Übertragungsnetzbetreiber von der Stromlieferung an Dritte auch wusste. Daran fehlt es nach unseren Erfahrungen in aller Regel, etwa weil der Anlagenbetreiber irrtümlich von einer echten bzw. reinen Eigenverbrauchskonstellation ausging und Meldungen daher für entbehrlich hielt. Vielfach ist den Anlagenbetreibern zudem nicht bewusst ist, dass der Übertragungsnetzbetreiber – und nicht der Verteilnetzbetreiber – bei Drittbelieferung für die Erhebung der EEG-Umlage zuständig ist. Hier hilft es dann auch nicht weiter, wenn der Verteilnetzbetreiber die Anlage und das dezentrale Stromversorgungskonzept von Anfang an kannte.

In diesem Fall gilt dann die kenntnisunabhängige Verjährung von zehn Jahren ab Entstehung des Anspruchs, so dass Nacherhebungen aktuell mindestens bis in das Jahr 2010 zurückreichen können. Das kann richtig weh tun.

 

Früher gab es viele Modelle, die zum Ziel hatten, eine Eigenstromverwendung zu generieren. Hierzu gehören u. a. Scheibenpacht-Modelle oder Mieter-GbR-Modelle. Wie sieht die Erhebung einer EEG-Umlage bei solchen Modellen aus?

Wenngleich solche Modelle in der Vergangenheit vielfach praktiziert wurden, war ihre rechtliche Behandlung schon immer umstritten. Spätestens mit dem EEG 2017 werden solche Modelle heute im Regelfall als umlagepflichtige Drittlieferungen angesehen.

 

Gab es im EEG 2017 keine „Amnestie“ für GbR- und Scheibenpacht-Modelle?

Ja und nein. Zu GbR-Modellen hat der Gesetzgeber keine Regelung getroffen. Stellt sich nunmehr heraus, dass anstelle eines Eigenverbrauchs der GbR eigentlich schon immer eine Belieferung der GbR-Gesellschafter (z.B. der jeweiligen Mieter in ihren Privatwohnungen) stattgefunden hat, kann die EEG-Umlage nach den zuvor dargestellten Grundsätzen nacherhoben werden.

Etwas anderes gilt unter bestimmten Voraussetzungen für sog. Scheibenpachtmodelle. Gemeint sind damit Konstellationen, in denen mehrere Personen oder Unternehmen eine einheitliche Erzeugungsanlage durch vertragliche Nutzungsrechte untereinander aufgeteilt haben – und zwar in dem Sinne, dass jedem Nutzer ein bestimmter Leistungsanteil der Anlage (Kraftwerksscheibe) zur Verfügung steht. Hierfür hat der Gesetzgeber inzwischen ausdrücklich klargestellt, dass es sich um eine umlagepflichtige Drittbelieferung handelt.

Für Scheibenpachtmodelle, die bereits vor dem 01.08.2014 auf vertraglicher Basis betrieben wurden, gibt es aber in der Tat eine Amnestieregelung: Solange sich weder am Personenkreis der Nutzer noch an der Anlage selbst (z.B. im Rahmen einer Erneuerung oder Ersetzung) Änderungen ergeben, können die Scheibenpächter gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber die Zahlung der EEG-Umlage verweigern. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Bestehen des Scheibenpachtmodells bis zum 31.12.2017 an die Bundesnetzagentur gemeldet worden sein muss.

Das BHKW-Infozentrum bedankt sich recht herzlich bei Frau Dr. Herms und Herrn Dr. Richter für das aufschlussreiche Gespräch zum Themenfeld „Bestandsschutz EEG-Umlage“.

Frau Dr. HermsHerrn Dr. Richter

Die Termine des praxisnahen Intensivseminar „EEG-Umlage – Bestimmungen für BHKW- und PV-Betreiber“ können Interessierte den Seiten auf BHKW-Konferenz.de entnehmen. Vermeiden Sie als Betreiber von BHKW- und PV-Anlagen kostenträchtige Fehler, melden Sie die EEG-Umlage korrekt an und realisieren Sie Messkonzepte, welche eine klare Abgrenzung zwischen Eigenstromversorgung und Lieferung an Dritte ermöglichen.

768 Views
Print Friendly, PDF & Email
Zurück zur Übersicht

Schlagworte: EEG, EEG-Umlage, Eigenversorgung, EEG-Umlagebefreiung, Bestandsschutz, Dritte, bhkw, kwk, Strom

Weiterführende Informationen

Aktuelles zu BHKW

Aktuelle Nachrichten zu BHKW-Technologien, Energiewende und rechtliche Rahmenbedingungen

EEG-Umlage - Bestimmungen für BHKW- und PV-Anlagenbetreiber

EEG-Umlage - Bestimmungen für BHKW- und PV-Anlagenbetreiber - Vorgaben der EEG-Umlage für Betreiber von KWK- und EE-Anlagen praxisnah erklärt

Messkonzepte für EEG- und KWKG-Anlagen

Messkonzepte für EEG- und KWKG-Anlagen - Stromeigenversorgung und Stromverkauf von PV- und BHKW-Anlagen richtig messen

prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Die prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ist ein Zusammenschluss von erfahrenen, hochqualifizierten Rechtsanwälten mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen des Verwaltungs- und Zivilrechts sowie besonderer Spezialisierung im Bereich der Erneuerbaren Energien.