Wasserkraft ist eine der ältesten Energiequellen der Menschheit. Schon seit über 2000 Jahre wird die Kraft von aufgestautem oder fließendem Wasser genutzt, um Korn- und Sägemühlen oder Hammerschmieden zu betreiben. Heute produzieren weltweit Wasserkraftwerke rund ein Fünftel des gesamten Strombedarfs. Im Bereich der Nutzung von Wellen und Meeresströmungen gibt es trotz großer Potenziale noch keine marktreife Stromerzeugungs-Technologie. Dieser Bericht stellt eine innovative Technologie vor, die derzeit als Pilotanlage getestet und ggf. zukünftig die Stromgewinnung aus dem Meer ermöglichen wird.
Energie aus Wellen
Die Energie, welche Wellen beim Auftreffen auf eine Steilküste freisetzen, beträgt durchschnittlich 15 kW bis 30 kW je Meter Küstenlinie. Auf insgesamt 1 Terrawatt, das entspricht der Leistung von 1.000 Kraftwerken mit jeweils 1.000 MWel, schätzt das World Energy Council das weltweite Potenzial der Wellenenergie. Mehrere Hundert Vorschläge zur Nutzung dieser Energiequelle sind auf den Patentämtern aktenkundig. Als Pilotanlagen realisiert wurden aber nur ein bis zwei Dutzend. Dies hat seine Ursache in der schweren Nutzbarmachung der Wellenenergie. Die Anlage muss so ausgelegt werden, dass sie einerseits der immensen Energie von Stürmen widersteht und andererseits auch bei geringem Wellengang ausreichend Energie bereitstellt.
Seit November 2000 ist ein vielversprechendes neues Wellenkraftwerk auf der schottischen Insel Islay in Betrieb. Limpet heißt dieses Anlagensystem, das für „Land Installed Marine Powered Energy Transformer“ (Land installierte Meereskraft-Energieumwandler) steht. Das von dem schottischen Unternehmen Wavegen, Inverness, und von der Queens Universität in Bristol geplante Wellenkraftwerk funktioniert nach dem Prinzip der schwingenden Wassersäule (Oscillating Water Column = OWC). Jede Welle drückt das Wasser in drei kaminartige Betonröhren und zieht es dann bei einem Wellental wieder hinaus. Die Röhren mit je 56 m2 Querschnittsfläche ziehen sich rund 25 Meter die Steilküste hinauf. Ihre untere Öffnung liegt 2,5 m unter der Wasseroberfläche. Am oberen Ende münden die Röhren in zwei hintereinandergeschaltete Wells-Turbinen mit je 250 kWel.
Durch die schwingende Wassersäule wird die Luft in den Betonröhren komprimiert bzw. angesaugt und dementsprechend durch die Turbine gedrückt bzw. gesaugt. Kernstück der Limpet-Anlage sind die von diesem Luftdruck angetriebenen Wells-Turbinen, deren Drehrichtung konstant bleibt, obwohl die Luft ständig ihre Richtung ändert. Dies wird durch eine spezielle Form der senkrecht zum Luftstrom stehenden Turbinenblätter erreicht. Aufgrund der langen Betonröhren können selbst größte Wellen nicht bis zur empfindlichen Mechanik der Turbinen vordringen und diese zerstören.
Eingehende Erfahrungen konnten die Wavegen-Ingenieure mit einer 75-kWel-Pilotanlage sammeln, welche unweit der jetzigen Limpet-Anlage über einen Zeitraum von zehn Jahren betrieben wurde. An der Limpet-Pilotanlage wurde zwei Sommer lang gebaut (Beginn: Mai 1999). Vor allem aus Witterungsgründen konnte im Herbst und Winter nicht an der Anlage gearbeitet werden. Nach Angaben von Wavegen können zukünftige Wellenkraftwerke aber innerhalb eines Sommers erstellt werden.
Die Turbinen der Pilotanlage leisten zwar maximal 500 kWel, das Stromnetz der Insel lässt aber nur einen Anschlusswert von 150 kWel zu. Bei rauer See muss bei der Pilotanlage eine Regelklappe, der zwischen den Turbinen und den Betonröhren angebracht ist, teilweise geschlossen werden, um die überschüssige Energie entweichen zu lassen. Andererseits ist die Pilotanlage so konstruiert, dass noch eine zweite Turbinenanlage an das System angeschlossen werden kann. Dadurch weist ein ausgereiftes Limpet-System eine Leistung von 1 MWel auf. Um eine kontinuierlichere Energieabgabe gewährleisten zu können, sind die Turbinen mit einem Schwungmassenspeicher (Schwungrad) verbunden. Durch die Trägheit des Schwungrades kann zum Beispiel eine bestimmte Leistung nahezu 30 Sekunden gehalten werden. Eine konstante Stromerzeugung kann aber durch Limpet nicht gewährleistet werden.
Über die Höhe der jährlichen Betriebsstundenanzahl und die erzeugte Strommenge der Anlage liegen noch keine Ergebnisse vor. Auf jeden Fall liefert Limpet weniger Strom als eine Anlage entsprechender Leistungsgröße auf dem offenen Meer. Dafür können an Land installierte Systeme aber einfacher gewartet werden und sind wesentlich widerstandsfähiger. Das Unternehmen Wavegen musste in diesem Zusammenhang Lehrgeld bezahlen. So wurde 1995 das Wellenkraftwerk „Osprey“ vor der schottischen Küste von einem Sturm zerstört, noch bevor es in Betrieb gehen konnte.
Die Kosten für die Pilotanlage werden mit rund 1,75 Mill. Euro angegeben. Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen können solche Anlagen in Zukunft deutlich billiger erstellt werden. Außerdem könnten die Investitionen durch Integration von Wellenkraftwerken in Hafenschutzanlagen zusätzlich gesenkt werden. In Port Kembla (Australien) baut derzeit das Unternehmen Eneretech einen kommerziellen Wellenenergiepark, der in den Hafenschutz integriert wurde und ebenfalls nach dem OWC-Prinzip Strom erzeugt. Die Anlagen soll bis 2002 ans Netz gehen.
Anwendungsfelder in Deutschland
Professor Kai-Uwe Graw von der Universität Leipzig hat in einer Machbarkeitsstudie zur Nutzung der Wellenkraft an deutschen Küsten festgestellt, dass die Ostsee trotz schwächeren Wellengangs besser geeignet ist als die Nordsee. Mangels Steilküsten kommen aber an Land installierte Systeme wie Limpet nicht in Betracht.
Markus Gailfuss, BHKW-Infozentrum Rastatt [sc:back ]