Problemfall – Wohngebäude und Nahwärmenetze
Betrachtet man die Anzahl der wärmeversorgten Gebäude in Deutschland so fällt die hohe Anzahl der Wohngebäude auf.
Eigentlich schlummert hier ein riesiges KWK-Potenzial für Objekt- aber auch die Fernwärmeversorgung. Die Erschließung geht jedoch äußerst mühsam von statten, da der erzeugte KWK-Strom in diesen Projekten meist in das öffentliche Netz eingespeist werden muss und hierfür nur eine geringe Vergütung in Höhe von 5-6 Cent/kWh erlöst werden kann.
In der von Prognos und der Berliner Energieagentur erstellten „Zwischenüberprüfung zum Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung“ heißt es auf Seite 68 wörtlich:
„Wie die Sensitivitätsanalyse zeigt, wird die Installation von KWK-Anlage in der Wohnungswirtschaft erst interessant, wenn der Anteil des Direktstromverkaufs steigt bzw. höhere Vollbenutzungsstunden des KWK-Betriebs erzielt werden. Dadurch bleiben jedoch viele vorhandene Wärmesenken für den KWK-Einsatz unerschlossen.“
Dabei kann aus der Praxis berichtet werden, dass natürlich der Direktverkauf an Mieter in einem Mehrfamilienhaus zusätzliche Erlöse bringt – aber auch mit einem immens hohen Arbeits- und Verwaltungsaufwand einhergeht.
Bei einer BHKW-Anlage, die jährlich 5.000 Betriebsstunden in einem Mehrfamilienhaus in Betrieb ist, können – allein schon wegen der beschränkten Betriebszeit1 – höchsten 57% des im Gebäude benötigten Stroms abgedeckt werden. Bei einem Haushalt mit 2 Personen und einem jährlichen Strombedarf von 3.000 kWh sind dies rund 1.700 kWh pro Jahr.
Unter Annahme eines Verkaufspreises von 18 Cent/kWh (netto) abzüglich der abzuführenden EEG-Umlage in Höhe von rund 3,6 Cent /kWh wären dadurch Stromverkaufserlöse von rund 245,- Euro erzielbar. Bei Einspeisung des KWK-Stroms in das Netz der allgemeinen Versorgung würden unter Annahme eines Erlöses in Höhe von 5,5 Cent/kWh gerade einmal 94,- Euro erlöst. Aus dem maximal erzielbaren Mehrertrag in Höhe von rund 150,- Euro müssen aber die gesamten Verwaltungs-, Abrechnungs- sowie ggf. Inkasso-Kosten getragen werden.
In der Praxis scheuen sich sehr viele Verwaltungsgesellschaften und Wohnungseigentümergemeinschaften vor diesem Aufwand. Dies ist für den Ausbau der KWK-Anlagen im Bereich der Mehrfamilienhäuser ein großes Hindernis.
Andere Versorgungsobjekte mit hohen Einspeisequoten des KWK-Stroms in das öffentliche Stromnetz stellen insbesondere Heizzentralen von Fernwärmenetze sowie kommunale Gebäude wie Schulen dar. In diesen Fällen gibt es jedoch keine Möglichkeit, den Strom wie bei Mehrfamilienhäusern „intern“ mit höheren Stromerlösen zu vermarkten.
Betrachtet man die Historie des KWK-Gesetzes, so wurde im ersten KWK-Gesetz lediglich der Strom mit einem KWK-Zuschlag bedacht, der in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wurde. Hinter dieser Regelung stand u. a. die Absicht, eine Kompensation für die geringen Einspeisevergütungen zu realisieren. Nach der KWKG-Novelle 2009 erhielt der gesamte KWK-Strom die Zuschlagszahlung. Dies war ein immens wichtiger Schritt, um KWK-Anlagen in die Wirtschaftlichkeit zu führen. Indes die KWK-Anlagen in Nahwärmenetzen und in Mehrfamilienhäuser konnten von dieser Regelung nur unzureichend profitieren, da ein Großteil des Stroms auch vor der Novelle des KWK-Gesetzes wegen der Einspeisung in das öffentliche Netz den KWK-Zuschlag erhielt.
Es ist daher an der Zeit, in dem neuen KWK-Gesetz 2012 den Anlagen eine zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz zu geben, die in Ein- und Mehrfamilienhäusern, kommunalen Gebäuden und kleineren Fernwärmenetzen zum Einsatz kommen könnten – deren Einsatz aber bisher an der fehlenden Wirtschaftlichkeit scheiterte.
Angesichts aller positiven Aspekte einer verbesserten bzw. neu aufgenommenen Wärmenetz- und Wärmespeicherförderung im KWK-Gesetz 2012 muss jedem klar sein, dass zur Realisierung von KWK-Wärmenetzen und KWK-Wärmespeicher erst einmal eine wirtschaftliche KWK-Anlage in diesem Bereich existieren muss.
Daher schlägt das BHKW-Infozentrum eine gestaffelte Zusatzvergütung für den in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten KWK-Strom vor. Dabei müssen die Förderhöhen und -mengen so gewählt werden, dass Fehlanreize2 vermieden werden.
Vorgeschlagen wird daher eine Zusatzvergütung für den in das öffentliche Netz eingespeisten KWK-Strom in Höhe von
4 Cent/kWh für die ersten 100.000 kWh
1 Cent/kWh ab 100.001 kWh bis 1.000.000 kWh
Um nicht zielführende Mitnahmeeffekte zu vermeiden, sollte diese Regelung für KWK-Anlagen einer Leistungsgröße von bis zu 2 MW begrenzt werden.
Epilog
Im Jahre 2012 wird die Umlage der Kosten aus dem KWK-Gesetz für einen Vier-Personen-Haushalt mit 5.000 kWh gerade einmal 10 Cent3 betragen – wohlgemerkt: insgesamt 10 Cent pro Jahr für vier Personen.
Kein anderes Klimaschutzgesetz im Strombereich ist dermaßen kostengünstig und effizient. Nach einem kurz- bis mittelfristigen Zeitraums einer kleinen Zusatzförderung müssen sich die KWK-Anlagen im freien Marktgeschehen behaupten. So erhielten im Jahre 2010 weniger als 22 Prozent der produzierten KWK-Strommenge eine Förderung nach dem KWK-Gesetz – im Jahre 2011 werden es vermutlich weniger als 6% der produzierten KWK-Strommenge sein.
Angesichts dieser marktorientierten Fördereffizienz ist ein verstärkter Eintritt in die KWK-Förderung sinnvoll und für die Erreichung der Klimaschutzziele obligatorisch.
1 Das Kalenderjahr hat 8.760 Stunden. Wenn eine BHKW-Anlage 5.000 Stunden pro Jahr in Betrieb ist, folgt daraus, dass lediglich 57% der jährlichen Stunden eine Eigenstromversorgung möglich ist. 43% des Jahres – also 3.760 Stunden pro Jahr – läuft die BHKW-Anlage nicht und erzeugt keinen Strom.
2 Ein Fehlanreiz würde unter anderem dadurch geschaffen, indem der Stromerlös für die Einspeisung den Stromerlös aus der internen Stromnutzung im Gebäude übersteigen würde. Durch eine angemessene Vergütungshöhe sowie eine Mengeneinteilung der Vergütungsklassen können solche Fehlanreize vermieden werden.
3 Dieser sehr geringe KWK-Aufschlag liegt in erster Linie in der Tatsache begründet, dass im Jahre 2009 die Verbraucher eine zu hohe Umlage bezahlt haben. Nimmt man aber die durchschnittlichen KWK-Aufschläge der letzten beiden Jahren ohne Berücksichtigung der Reduzierungen aus den Vorjahren würde der jährliche KWK-Aufschlag auf den Endkundenstrompreis eines Vier-Personen-Haushaltes weniger als 2,50 Euro betragen, was dann rund 20 Cent pro Monat wären.