Nachdem Tübingens OB Boris Palmer das faktische Aus für das Mammut-Projekt verkündet hat, fordert die Deutsche Umwelthilfe die bevorstehende wasserrechtliche Erlaubnis nicht zu erteilen – DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake: „weitere Genehmigungen sinn- und nutzlos“.
Berlin – Weitere Genehmigungsschritte für das vom Tübinger Stadtwerkebündnis Südweststrom (SWS) seit Jahren in Brunsbüttel geplante Steinkohlekraftwerk kämen dem Versuch gleich, eine Totgeburt zum Leben zu erwecken. Das erklärte die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), nachdem am Dienstag Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) am Rande eines Kongresses das faktische Aus für das vor allem wegen seiner Klimaschädlichkeit umstrittene Großprojekt verkündet hatte. In einem Schreiben an den Landrat des Kreises Dithmarschen, Jörn Klimant, fordert die Umweltorganisation, eine von der Wasserbehörde des Landkreises für Anfang Dezember angekündigte wasserrechtliche Erlaubnis nicht mehr zu erteilen.
„Jede weitere Genehmigung wäre ersichtlich sinn- und nutzlos, wenn offenbar selbst nach Überzeugung maßgeblicher Projektbetreiber energiewirtschaftliche und klimapolitische Gründe der Realisierung des Milliardenprojekts entgegenstehen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Selbst wenn die Wasserbehörde den Antrag der SüdWestStrom Stadtkraftwerk Brunsbüttel noch inhaltlich prüfen wolle, müsse sie das faktische Aus des Kraftwerksprojektes bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Da das Interesse des Antragstellers an der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis sich offenbar Richtung Null bewege, habe das Interesse der Allgemeinheit, ein anachronistisch gewordenes Großkraftwerk mit einem jährlichen CO2-Ausstoß von bis zu 10,2 Millionen Tonnen zu verhindern, klar Vorrang.
Palmer, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der an dem Projekt beteiligten Stadtwerke Tübingen ist, hatte das von regionalen Bürgerinitiativen und Umweltverbänden bekämpfte Steinkohlekraftwerk mit einer geplanten Gesamtleistung von 1.800 Megawatt jahrelang verteidigt. Am vergangenen Dienstag erklärte er gegenüber dem Brancheninformationsdienst Dow Jones Energy, der Bau neuer Kohlekraftwerke habe in Deutschland absolut keine Perspektive mehr, das gelte auch für das Vorhaben von Südweststrom in Brunsbüttel.
„Boris Palmer zieht spät aber nicht zu spät die Konsequenzen aus einer energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Gesamtsituation, in der neue Klimakiller-Kraftwerke auf Kohlebasis einfach keinen Platz mehr haben. Das begrüßen wir und hoffen, dass die zuständige Genehmigungsbehörde aus der Einsicht der Vorhabenträger jetzt die logischen und rechtlich gebotenen Schlüsse zieht. Weitere Genehmigungen darf es nicht mehr geben“, erklärte Jürgen Quentin, der Leiter der Anti-Kohlekraft-Kampagne der DUH. Hintergrund
Das größte Steinkohlekraftwerksprojekt Europas am früheren AKW-Standort Brunsbüttel stirbt schon seit Jahren einen Tod auf Raten. Ursprünglich sollte das Kraftwerk an der Unterelbe im Jahr 2014 ans Netz gehen. Auf den Internetseiten von SWS ist heute zu lesen, man plane die Realisierung bis 2017. Ende letzten Jahres beschloss eine Gesellschafterversammlung des Stadtwerkekonsortiums ein zweijähriges „Moratorium“. Seither heißt es, man werde „aktiv abwarten“ und die endgültige Investitionsentscheidung voraussichtlich in zwei Jahren treffen. Die Genehmigungsverfahren werden allerdings gegen heftigen Widerspruch von Bürgerinitiativen, der DUH und anderer Umweltverbände weiter vorangetrieben. Erteilte Genehmigungen wurden regelmäßig beklagt, weitere Klagen sind bereits in Vorbereitung.
Zwischenzeitlich haben sich eine ganze Reihe von Stadtwerken aus dem Kraftwerksprojekt Brunsbüttel zurückgezogen, darunter die von Konstanz, Friedrichshafen und vier Schweizer Energieversorger. Tübingen ist über seine Stadtwerke an dem Vorhaben mit 0,4 Prozent beteiligt. Das entspricht einer Leistung von sieben Megawatt, die im Fall der Realisierung des Projekts rund ein Zehntel des Tübinger Strombedarfs bereitstellen könnten. Mehrheitsgesellschafter an der SWS-Projektgesellschaft für das Kraftwerk ist mit 51 Prozent der Anteile der Schweizer Energieversorger Repower, mit Sitz im Kanton Graubünden. Repower ist zu 42% in Händen des Kantons. In Graubünden läuft derzeit ein Volksentscheid, mit dem die Einwohner darüber entscheiden sollen, ob sich Repower weiterhin an dem Kohlekraftwerk beteiligen darf. Der Entscheid wird voraussichtlich im Frühjahr dem Bündner Volk vorgelegt. Sieben norddeutsche Stadtwerke-Gesellschafter haben beschlossen, sich nicht am Bau des Kraftwerks in Brunsbüttel zu beteiligen, aus der Projektgesellschaft wollen sie jedoch bisher nicht aussteigen, weil sie dann unverzüglich ihre gesamte Gesellschaftereinlage verlieren würden.
Für Rückfragen:
Rainer Baake
Bundesgeschäftsführer
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 015155016943, Tel.: 0302400867-0, E-Mail: baake@duh.de
Jürgen Quentin
Projektleiter Anti-Kohle-Kampagne
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 015114563676, Tel.: 0302400867-95, E-Mail: quentin@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz
Leiter Politik und Presse
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 01715660577, Tel.: 0302400867-0, E-Mail: rosenkranz@duh.de
Rastatt, 28.11.2011 / Deutsche Umwelthilfe
Bildquelle: Hans – Jürgen Distelkamp / pixelio.de