Kraft-Wärme-Kopplung kann mehr

Originalbericht von     Autor: Dr. Jan Mühlstein

Rastatt, 18.05.2015


  

Kraft-Wärme-Kopplung kann mehr (Bildquelle: XtravaganT - Fotolia)

Die vom Bundeswirtschaftsministerium beabsichtigte Anpassung des KWK-Gesetzes schadet der Energiewende, so die Analyse der Fachzeitschrift Energie&Management (E&M).

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geht, wenn auch verklausuliert, auf Distanz zur KWK. In dem Mitte März von seinem Ministerium veröffentlichten Eckpunktepapier „Strommarkt“ heißt es: „Auch in Zukunft wird eine hocheffiziente und klimafreundliche KWK eine wichtige Rolle im Rahmen der Energiewende spielen. Allerdings muss die künftige Förderung der KWK so ausgestaltet werden, dass sie mit den anderen Zielen der Energiewende kompatibel ist. So macht es bei einem stetig steigenden Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien keinen Sinn, das Ausbauziel von 25 Prozent bis 2020 auf die gesamte Stromerzeugung zu beziehen.“

Einen Zielkonflikt zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und der KWK hat aber auch das bisher auf die gesamte Stromerzeugung bezogene KWK-Ziel nicht verursacht. Dass beide, Erneuerbare und KWK, auch über das Jahr 2020 miteinander kompatibel sind, hat bereits die vom BMWi im Oktober 2014 veröffentlichte Studie zum KWK-Monitoring bestätigt. Wenn nun die thermische Stromerzeugung als neue Bezugsgröße gewählt wird, um die Kompatibilität von Erneuerbaren und KWK zu sichern, müsste auch der angestrebte prozentuale KWK-Anteil angepasst werden: Ein Drittel der thermischen Stromerzeugung aus KWK (rund 150 TWh im Zieljahr 2020) wäre ein adäquates Ziel.

Adäquates KWK-Ziel: ein Drittel der thermischen Stromerzeugung

Die neue Bezugsgröße bei Beibehaltung der 25-Prozent-Marke bedeutet hingegen, dass der bis 2020 angestrebte KWK-Ausbau deutlich reduziert wird. Das bisherige KWK-Ziel für 2020 impliziert eine Zunahme der KWK-Stromerzeugung von derzeit etwa 96 TWh/a (16,2 Prozent der gesamten Stromerzeugung beziehungsweise 18 Prozent der thermischen Stromerzeugung) um etwa 50 TWh/a. Die neue BMWi-Vorgabe setzt bei einer für 2020 auf 460 TWh geschätzten thermischen Stromerzeugung die KWK-Zielmarke auf 115 TWh/a, was zu einem um 62 Prozent reduzierten KWK-Zuwachs von 19 TWh/a führt. Die Zahlen sind der Monitoring-Studie von Prognos, Fraunhofer IFAM, IREES und BHKW-Consult („Potenzial- und Kosten-Nutzen-Analyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Kraft-Wärme-Kopplung“) vom Oktober 2014 sowie der Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum BMWi-Eckpunktepapier „Strommarkt“ vom 13. April entnommen.

Ein um über 30 TWh/a reduzierter KWK-Beitrag zur Stromerzeugung hat allerdings negative Konsequenzen für die Energiewende: Moderne gasbetriebene KWK-Anlagen verursachen einen CO2-Ausstoß von weniger als 0,3 t/MWh Strom. Bestehende, zum Teil recht alte Braun- und Steinkohlekraftwerke, die stattdessen zum Einsatz kommen, emittieren 0,75 bis 1 t CO2 pro MWh. Das bedeutet, dass gegenüber dem bisherigen KWK-Szenario die Stromerzeugung einen CO2-Mehrausstoß von rund 15 Mio. t/a verursachen wird, so dass der von Gabriel bis 2020 angestrebte Klimaschutzbeitrag der Stromerzeugung von den jetzt diskutierten 22 Mio. t auf 37 Mio. t CO2 im Jahr angehoben werden müsste, um das für 2020 gesetzte Ziel einer CO2-Reduktion um 40 Prozent zu erreichen. Der verringerte KWK-Ausbau führt durch ungekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung zum höheren Brennstoffverbrauch, was zusätzlich das Energieeffizienzziel der Energiewende konterkariert.

Hinzu kommt, dass es in der Energiewirtschaft begründete Zweifel gibt, ob selbst das reduzierte KWK-Ausbauziel mit der geplanten Änderung der KWK-Förderung (siehe „BMWi-Vorschläge für eine KWK-Novelle“) erreicht werden kann. Der AGFW, der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK, plädiert – auch zur Wahrung der EU-Konformität – für die Beibehaltung des KWK-Zieles von 150 TWh/a. Dafür hält der Verband eine Anpassung der Förderung für neue und modernisierte KWK-Anlagen der allgemeinen Versorgung auf 4 Ct/kWh sowie die Einführung eines separaten, gedeckelten Zuschlags für bestehende KWK-Anlagen der allgemeinen Versorgung in Höhe von 2 Ct/kWh für unabdingbar.

Unzutreffende Argumente gegen Eigenerzeugung

Dass der AGFW die Pläne des BMWi unterstützt, die KWK-Förderung auf den ins Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strom zu begrenzen, ist wohl der Mitgliederstruktur des Verbandes geschuldet, trotzdem aber nicht sachgerecht. Da bereits durch die EEG-Reform der eigengenutzte Strom aus neuen KWK-Anlagen anteilig mit der EEG-Umlage belastet wird, bedeutet die Streichung des KWK-Zuschlags eine weitere erhebliche Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der KWK-Anlagen in der Objektversorgung, im Gewerbe und in der Industrie. Die von allen Praktikern erwartete Folge: Der dynamische KWK-Zubau in diesem Sektor wird einbrechen.

Dabei sticht auch das vom BMWi gegen die KWK-Förderung ins Feld geführte Argument, zur Eigenerzeugung eingesetzte KWK-Anlagen würden unzureichend auf Strommarktsignale reagieren und kollidierten daher mit erneuerbarer Stromerzeugung, nicht ganz. Die Verzerrung der Marktsignale verursacht die nicht mehr zeitgemäßen Strukturen der Netzentgelte, der Umlagen und Steuern, die eine netzdienliche Anpassung des Stromverbrauchs – und damit auch der Eigenerzeugung – behindern. Hier und nicht bei der KWK-Förderung besteht dringender Reformbedarf.

Auf die Diskriminierung der Eigenerzeugung gegenüber der Einsparung des Stromverbrauchs reagiert der Markt bereits: So hat zum Beispiel die Bosch KWK Systeme ein Gasmotor-BHKW entwickelt, das direkt mit einem Druckluftverdichter gekoppelt ist, was dem Nutzer entsprechenden Strombezug erspart. Ob Gasmotor-Direktantriebe als eine Variante der zu Beginn der Industrialisierung üblichen Treibriemen zur Kraftübertragung den fehlenden KWK-Ausbau in der Industrie kompensieren können, ist mehr als fraglich.

Falsche Fixierung auf „Strompreisbremse“

Eine umfassende Förderung würde aber bedeuten, den Deckel im KWK-Gesetz auf 2 bis 3 Mrd. Euro im Jahr anzuheben, was zu einer KWK-Umlage von 1 bis 1,5 Ct/kWh führen würde. Das scheint politisch nicht durchsetzbar zu sein, zumal die von der schwarz-gelben Vorgängerkoalition mutwillig vom Zaun gebrochene Debatte um eine „Strompreisbremse“ immer noch die Diskussion prägt. Dabei müsste allen Beteiligten klar sein, dass der Ausbau erneuerbarer Energien, die Senkung der CO2-Emissionen und die Erhöhung der Energieeffizienz nicht umsonst zu haben sind. Die KWK-Förderung ist außerdem, wie der Energieökonom Gunnar Kaestle belegt, eine notwendige Korrektur des systematischen Strommarktversagens (der Beitrag „KWK-Förderung korrigiert Anpassungsmangel“ ist unter www.emvg.de/KWK-Kompendium verfügbar). Was sie bei der KWK-Umlage eventuell sparen, müssen die Verbraucher und Steuerzahler an anderer Stelle – vermutlich sogar teurer – für die Energiewende bezahlen, so die logische Konsequenz.

Durch die Novelle werden laut BMWi die Kosten der KWK-Förderung jährlich um 234 Mio. Euro steigen, wovon 224 Mio. Euro/a auf die Stützung der Bestandsanlagen entfällt, während die Streichungen bei der Eigenstromförderung 60 Mio. Euro/a einsparen sollen. Deshalb soll der Förderdeckel von bisher 750 Mio. Euro/a auf 1 Mrd. Euro/a angehoben werden. Die KWK-Umlage für nicht privilegierte Stromverbraucher, die bereits durch die Auswirkungen des derzeit gültigen KWK-Gesetzes von jetzt 0,24 Ct/kWh auf 0,34 Ct/kWh steigt, würde sich durch die vorgeschlagene KWK-Novelle um weitere 0,16 Ct/kWh auf dann 0,5 Ct/kWh erhöhen. Dies erklärte kürzlich das BMWi in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Autor: Dr. Jan Mühlstein (Energie&Management) | Bild: XtravaganT – Fotolia

Print Friendly, PDF & Email