Die Diskussion über die Auswirkungen des Treibhauseffektes hat in der Bevölkerung zu einer großen Sensibilisierung in Bezug auf dieses Thema geführt. Als Kohlendioxid-Minderungsoption werden Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung mittels Sonnenenergie genauso eingesetzt wie Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Umwelt- und Klimaschutz ist jedoch eine sehr komplexe Materie. Aus diesem Grund kann ein gutgemeintes Projekt zu einer suboptimalen CO2-Minderung oder im ungünstigsten Fall sogar zu einer Verschlechterung in der CO2-Bilanzierung führt.
Der vorliegende Bericht beschäftigt sich mit dem Konfliktfall einer Einbindung einer solarthermischen Anlage in ein bestehendes KWK-Netz und verdeutlicht dieses anhand eines konkreten Beispiels.
Konfliktfall
In einer süddeutschen Stadtklinik (Nutzfläche ca. 40.000 m2, 414 Betten, 15.000 Patienten/Jahr) soll eine solarthermische Anlage mit 280 m2Kollektorfläche zur Bereitstellung der Wärme für die Brauchwasser-Nutzung installiert werden. Die Technische Leitung des Krankenhauses erwartet hierdurch eine jährliche Kohlendioxidminderung von rund 32 Tonnen aufgrund der Einsparung von 18.000 Kubikmeter Erdgas.
Vor sieben Jahren wurde in der betreffenden Klinik bereits eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage zur gleichzeitigen Bereitstellung von Strom und Wärme sowie im Sommer von Kälte mittels wärmegetriebener Kälteanlage installiert.Ursprünglich war diese Anlage bestehend aus zwei Waukesha-Gasmotoren (elektrische Leistung jeweils 295 kW, thermische Leistung 470 kW, Gesamtwirkungsgrad 85%, elektrischer Wirkungsgrad 33%) dafür konzipiert, im Sommer eine Absorptionskältemaschine (Kälteleistung 600 kW, die Austreiberleistung des Absorbers liegt um den Faktor 1,43 höher als die erzeugte Kälteleistung) durchgängig anzutreiben. Die Absorptionskältemaschine wurde so dimensioniert, daß der Kälte-Grundlastbedarf des Versorgungsobjektes dadurch abgedeckt werden sollte.
In den ersten Betriebsjahren wurde bei der Absorptionskältemaschine eine Auslastung von 80 bis 85 Prozent der witterungsbedingt möglichen Stundenzahl erreicht. Dabei handelt es sich um die Stunden im Jahr, bei der die Außentemperaturen so hoch sind, daß ein Einsatz der Kältemaschine zur Kühlung notwendig ist. Aufgrund der Einführung und Realisierung von Energiemanagement-Strategien konnte der benötigte Wärme- und Kältebedarf der Stadtklinik im Jahre 1996/97 erheblich gesenkt werden, was sich auch auf die Ausnutzungsfaktoren der Absorptionskältemaschine auswirkte. Diese wies 1997 eine Auslastung von lediglich 65 % auf. Infolge dieser Energiespar-Maßnahmen sank auch die Auslastung und Laufzeit der BHKW-Module. Im Jahre 1997 betrugen diese 5724 Stunden und damit nur noch 66% der möglichen jährlichen Betriebszeit.
Die angegebenen Zahlen verdeutlichen die große Differenz zwischen der ursprünglichen Planung, welche auf einen dauerhaften Betrieb der BHKW-Module und der Absorptionskälteanlage im Sommer ausgelegt wurde, und der später vorherrschenden Realität. Aufgrund dieser Tatsache besitzen die beiden BHKW-Module nun freie Ressourcen, um – mindestens teilweise – den Wärmebedarf des Brauchwassers auch im Sommer abdecken zu können. Durch eine neue solarthermische Anlage wird de facto ein möglicher Einsatz einer bestehenden BHKW-Anlage für die Brauchwassererwärmung im Sommer verhindert. Dies hat auch Auswirkungen auf die Bewertung der Umweltrelevanz dieser beiden Systeme.
Kohlendioxidminderung
Sofern man den Energieaufwand und die damit verbundenen CO2-Emissionen einer solarthermischen Anlage nicht berücksichtigt, ergibt sich eine resultierende CO2-Minderung dieser Anlage aufgrund des eingesparten Brennstoffes. Im konkreten Fall des hier geschilderten Krankenhauses sollen aufgrund der solarthermischen Anlage 18.000 Kubikmeter Erdgas eingespart werden, die sonst zur Deckung des Wärmebedarfes in den Heizungsanlagen verbrannt worden wären. Die daraus resultierende jährliche CO2-Minderung beträgt rund 32 Tonnen.
Wird jedoch eine solarthermische Anlage in ein bestehendes KWK-Netz (mit freien Ressourcen) eingebracht, so muss in diesem Fall das Gesamtsystem, also sowohl die Wärme- als auch die Strombereitstellung, betrachtet werden. Denn schließlich muß der umweltfreundliche, dezentral bereitgestellte BHKW-Strom in einem Großkraftwerk erzeugt werden.
Würde die Wärme, welche durch eine Solaranlage erzeugt wird, durch die BHKW-Anlage des Krankenhauses bereitgestellt, so würden gleichzeitig 95.000 kWh elektrischer Strom erzeugt. Dieser Strom muß in dem Fall der solarthermischen Anlage aus dem öffentlichen Netz bezogen werden. Aufgrund der Nutzungsstruktur einer BHKW-Anlage wird dieser Strom vor allem in Mittellastkraftwerken (Steinkohle-, Erdgas- und Erdöl-Kondensationskraftwerken) erzeugt. Deshalb müssen die resultierenden CO2-Emissionen aufgrund des Strombezuges mit den spezifischen CO2-Emissionen des derzeitigen Mix aus Steinkohle-, Erdgas- und Erdöl-Kondensationskraftwerken im Mittellastbereich in Deutschland verglichen werden. Nach Angaben der VDEW betrugen die spezifischen CO2-Emissionen 799 Gramm CO2 je Kilowattstunde Strom (aktuelle Statistik für das Jahr 1998). Aufgrund der emissionsfreien Wärmebereitstellung der Solaranlage betragen die gesamten CO2-Emissionen für die Bereitstellung der 95.000 kWh Strom und 152.000 kWh Wärme rund 75.900 kg.
Bei der BHKW-Anlage beläuft sich der benötigte Primärenergieeinsatz für die Bereitstellung von 95.000 kWh Strom und 152.000 kWh Wärme bei einem Gesamtwirkungsgrad von 85 % auf rund 290.600 kWh Erdgas. Die dadurch resultierende jährliche CO2-Emission beträgt 58.120 kg.
Der Zubau der solarthermischen Anlage in ein bestehendes BHKW-Netz mit freien Kapazitäten bewirkt also in der Gesamtenergiebilanz (Strom und Wärme) eine zusätzliche CO2-Emission von 17,8 Tonnen pro Jahr.
Fazit
In der vorliegenden Untersuchung wird dargelegt, daß unter Berücksichtigung der Strombereitstellung ein Einbau einer solarthermischen Anlage zur Brauchwassererwärmung in ein bestehendes KWK-Netz mit freien Ressourcen aus Gesichtspunkten des Klimaschutzes kontraproduktiv sein kann. Um keinerlei Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sei aber auch darauf verwiesen, daß Solaranlagen ein sinnvolles Instrument im Rahmen einer CO2-Minderungsstrategie darstellen können. Im Klinikbereich könnte insbesondere bei kleineren Krankenhäusern, in denen wegen des geringeren Strom- und Wärmebedarfs eine BHKW-Anlage nicht (wirtschaftlich) betrieben werden kann, auf die CO2-Minderungsoption der solarthermischen Anlage zurückgegriffen werden.
Deutlich wird anhand dieses Beispiels aber auch die Bedeutsamkeit, zukünftige Energiesparmaßnahmen bereits in der Planung von KWK-Anlagen zu berücksichtigen, um eine zu große Auslegung einer solchen Anlage zu verhindern. Idealer Weise sollte zuerst ein Energiemanagement durchgeführt und anschließend eine BHKW-Anlage anhand der neuen Energiebedarfswerten ausgelegt werden.
Autor: Markus Gailfuß