Rastatt, 04.08.2015
Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) soll novelliert werden. Es wird spannende für die Anlagenbetreiber. Dr. Miriam Vollmer von der Sozietät Becker Büttner Held in Berlin erklärt den ersten Entwurf.
Anlagenbetreiber haben sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, dass so gut wie alle wesentlichen Neuerungen auf europäischem Gemeinschaftsrecht beruhen. Oft regelte das Europarecht die Anforderungen an den Anlagenbetrieb gerade im Bereich des Umweltrechts so detailliert, dass dem Gesetzgeber in Berlin bloß die rein technische Umsetzung in deutsches Recht blieb. Entsprechend wurden einige Regelwerke des Umweltrechtes, wie beispielsweise die Zuteilungsregeln für die 3. Handelsperiode des Emissionshandels, noch nicht einmal mehr als formelle Gesetze verabschiedet, sondern nur als Rechtsverordnungen (die Zuteilungsverordnung 2020) erlassen.
Nun soll die 2002 grundlegend novellierte TA Luft erneuert werden. Ein erster, noch nicht vollständiger Entwurf liegt auf dem Tisch. 2016 sollen sich spätestens die derzeit noch bestehenden Lücken füllen. Für 2017 ist das Inkrafttreten geplant. Insbesondere für die Betreiber kleiner und mittelgroßer Anlagen mit weniger als 50 MW Feuerungswärmeleistung ändert sich damit das nicht nur für die Grenzwertfestsetzung zentrale Regelwerk.
Dabei will das zuständige Ministerium an den bewährten Mechanismen festhalten. Es handelt sich also auch in Zukunft um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, nicht um ein formelles Gesetz oder eine Verordnung. Doch in dem „alten Schlauch“ TA Luft steckt durchaus neuer Wein: Als sicher gilt, dass sowohl der Immissions- als auch der Emissionsteil grundlegend erneuert werden. Schließlich hat sich in den vergangenen Jahren am Stand der Technik viel geändert. Entsprechend sind für bisher elf BVT-Schlussfolgerungen die Vollzugsempfehlungen aufzunehmen, was wiederum auch hier den Bogen zum Europarecht schlägt. Ein weiterer Schwerpunkt der Neufassung ist die Verschärfung der Grenzwerte für Feinstaub, dessen Schädigungspotenzial für die menschliche Gesundheit seit der letzten großen Überarbeitung der TA Luft mehr in den Mittelpunkt gerückt ist.
Doch auch jenseits schärferer Grenzwerte, der Einbeziehung von Gerüchen in die TA Luft, einer verbesserten Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Belange und einer verbesserten Umsetzung von schwer bezifferbaren Kriterien wie der Energieeffizienz soll es auch in formeller Hinsicht Änderungen geben. So wird sich im Hinblick auf die Abgrenzung von Änderungsgenehmigungen zu Neugenehmigungen wohl etwas tun. Hier scheint man auf bestehende Unschärfen im Vollzug zu reagieren. Zudem steht eine Anpassung an zwischenzeitliche Änderungen grundlegender Begrifflichkeiten der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) an, um das zersplitterte Umweltrecht zumindest im Vollzug zu harmonisieren. Doch auch wenn es nicht unvernünftig scheint, nach fast 15 Jahren einen der Hauptpfeiler des Immissionsschutzrechtes grundlegend anzugehen, so überrascht die Novelle nicht wenige Betreiber der rund 50 000 betroffenen Anlagen. Denn viele haben damit gerechnet, dass erst die derzeit in Brüssel verhandelte MCPD, der Richtlinienentwurf für kleine und mittlere Anlagen, die nächste große Umwälzung im Immissionschutzrecht darstellen würde. Diese soll – nach der zwischenzeitlich umgesetzten nur für Großfeuerungsanlagen geltenden Industrieemissionsrichtlinie – europaweit einheitliche Standards für Anlagen der Größenklasse < 50 MW Feuerungswärmeleistung schaffen.
Doch auch wenn so gut wie keine Stimmen in der deutschen Unternehmens- und Verbandslandschaft die Reform der TA Luft als solche kritisieren, beklagt sich mancher doch, dass das Energie- und Umweltrecht angesichts sich überschlagender Neuerungen auf allen Ebenen die Anlagenbetreiber kaum mehr zur Ruhe kommen lässt. So schnell, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern, kann kein Unternehmen Kraftwerke planen und bauen. Am Ende bleibt möglicherweise das große Ziel langfristiger Versorgungssicherheit überforderungsbedingt auf der Strecke. Hier ist einmal mehr der Blick nicht nur auf das einzelne Regelwerk gefragt, sondern auf das Rechtshabitat der oft mittelständischen oder kommunalen Anlagen im Ganzen.
Quelle: Dr. Miriam Vollmer (Becker Büttner Held, Berlin) | Redaktionell bearbeitet von: | Bild: Lisa Spreckelmeyer / pixelio.de