Herrsching | 3. März 2017 |

Agora: Dezentralität braucht einen Ordnungsrahmen

Die Agora Energiewende hat grundlegende Fragen der Dezentralitätsdebatte untersucht und dazu erste Handlungsempfehlungen für einen politischen Ordnungsrahmen entwickelt.

„Dezentralität entwickelt sich mit der Energiewende zu einem dauerhaft prägenden Strukturmerkmal des Energiesystems“, konstatiert die Agora. Dies liegt vor allem an den Schlüsseltechnologien der Energiewende wie Wind- und Solarenergie, Batteriespeicher und Digitalisierung. Dazu kommt die in der Gesellschaft verankerte politische, ökonomische und soziale Präferenz für Eigenversorgung und Regionalität. Mit dem bisherigen Konzept einer ausschließlich zentralen Steuerung, verbunden mit immer mehr Netzausbau, könne diese Entwicklung aber nicht beantwortet werden, heißt es dazu.

„Dezentralität ist kein Wert an sich. Aber angesichts von dauerhaft erwartbaren Netzengpässen und aufgrund von sozialen oder politischen Präferenzen für Regionalität können dezentrale Strukturen Mehrwert generieren“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Wir haben aber keinen zweckmäßig gestalteten Rahmen, in dem dezentrale Lösungen sinnvoll den zentralen Strommarkt ergänzen könnten“.

Mit einem solchen eigenen Ordnungsrahmen für Dezentralität könne auch „das derzeitige Chaos im Bereich der dezentralitätsbedingten Ausnahmen bei Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen“ neu geordnet werden. Ökonomisch liege der Mehrwert der Dezentralität in der Regel in vermiedenem Netzausbau, für den bisher jedoch ein monetäres Maß fehle, so Graichen. Zudem gebe es auch noch keinen Marktrahmen für die Befriedigung des verbreiteten Bedürfnisses nach Regionalität in der Stromversorgung.

 

Strom- und Abgabensystem mit drei Ebenen

Die wesentlichen Handlungsempfehlungen aus der Analyse lauten: Das Stromsystem sollte perspektivisch in eine klare Struktur aus drei Ebenen überführt werden, die durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Abgaben und Umlagen geprägt wären: eine untere Ebene, in der Strom vor Ort und ohne Rückgriff auf das öffentliche Netz erzeugt und verbraucht wird (Eigenverbrauch/Mieterstrom), eine mittlere Ebene innerhalb einer Stromregion und schließlich eine überregionale, auch transnationale Ebene für den überregionalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch.

 

In „Stromregionen“ soll bei Netzengpässen ein regionaler Ausgleich erfolgen

Neu ist vor allem die vorgeschlagene Einrichtung von „Stromregionen“, in denen bei Netzengpässen ein regionaler Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch stattfindet und neue regionale Märkte entstehen können.

Diese Schlussfolgerungen wurden aus der aufwändigen Analyse gezogen, in der die Agora Energiewende wichtige Aspekte der Dezentralität hat untersuchen lassen. Die Untersuchung ist in dem am 28. Februar veröffentlichten Sammelband „Energiewende und Dezentralität“ dokumentiert.

 

Eigenversorgung, regionale Smart Grids und Smart Markets

Vier Dimensionen wurden analysiert: Erstens das Stromnetz, mit den Fragestellungen: Was bedeutet der jeweilige Dezentralitätsaspekt für das Stromnetz? Zweitens die ökonomische Dimension: Wie ist der jeweilige Dezentralitätsaspekt wirtschaftlich zu bewerten, was bedeutet er für den Strommarkt? Drittens die soziale Dimension: Was bedeutet der Dezentralitätsaspekt beispielsweise für die Akzeptanz der Energiewende? Und schließlich die politische Dimension: Welche, auch regional-politischen Faktoren spielen jeweils eine Rolle? Aus der Analyse werden dazu erste Handlungsvorschläge unterbreitet.

 

Sechs Aspekte, die die bisherige Dezentralitäts-Debatte prägen, werden in der Studie detailliert betrachtet: die Rolle der Eigenversorgung, die regionale Verteilung von Stromerzeugung und -verbrauch, die regionale Vermarktung von Ökostrom, regionale Smart Grids und Smart Markets sowie die Rolle kleiner Akteure mit Fokus auf „Bürgerenergie“ und die Rolle kommunaler Energieversorgung.

 

Graichen sieht in der weiteren Ausgestaltung des skizzierten Ordnungsrahmens für Dezentralität eine wichtige Aufgabe der Politik in der nächsten Legislaturperiode, damit „das derzeit verworrene Zentralitäts-Dezentralitäts-Anreizsystem“, das sich historisch entwickelt habe, überwunden werden könne. „Eine zukunftsfähige Energiewendepolitik muss die Dezentralitätskomponente als wichtiges neues Strukturelement der Energiewirtschaft aktiv gestalten und sie zügig in den energiewirtschaftlichen Regulierungsrahmen integrieren.“

 

Die Studie „Energiewende und Dezentralität – Zu den Grundlagen einer politisierten Debatte“ ist abrufbar unter https://www.agora-energiewende.de/de/themen/-agothem-/Produkt/produkt/375/Energiewende+und+Dezentralität/

Studie „Energiewende und Dezentralität – Zu den Grundlagen einer politisierten Debatte“
Studie „Energiewende und Dezentralität – Zu den Grundlagen einer politisierten Debatte“

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