Herrsching | 16. Januar 2020 |

Treibhausgasemissionen 2019 auf Rekordtief

Für das Jahr 2019 lobt Agora Energiewende den hohen Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von fast 43 % und die um 35 % gegenüber 1990 gesunkenen Klimagasemissionen.

Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sanken 2019 um mehr als 50 Mio. Tonnen, weil dank hoher CO2-Preise weniger Kohle verstromt wurde. Mit dem Niveau von etwa 35 % unter dem Klimagasausstoß von 1990 rücke Deutschlands Ziel für 2020, die Emissionen um 40 % zu mindern, überraschend in greifbare Nähe. Agora Energiewende betont, dass dieser Erfolg vor allem im Stromsektor erreicht wurde, wo erneuerbare Anlagen erstmals mehr Strom als Kohle- und Kernkraftwerke zusammen erzeugten.

„Dennoch startet die Energiewende mit einer schweren Hypothek in die 2020er-Jahre“, sagte Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Denn der Ausbau bei der Windenergie ist in den letzten zwei Jahren um über 80 % eingebrochen und somit fast zum Erliegen gekommen. Es sei an der Bundesregierung, jetzt rasch die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Windkraft wieder vorankommt. „Sie ist das Arbeitspferd der Energiewende, ohne Windkraft werden wir weder den Kohleausstieg noch die Klimaschutzziele erreichen“, appellierte Graichen.

In der Jahresauswertung der Denkfabrik wird zudem kritisiert, dass die Klimaschutzerfolge im Stromsektor von steigenden Treibhausgasemissionen bei Gebäuden und im Verkehr geschmälert werden. Das öffentliche Interesse am Klimaschutz sei so hoch wie nie, seit Mai 2019 sei es in den Augen der Bevölkerung konstant das drängendste politische Thema.

Deutscher Primärenergieverbrauch 1990-2019 Bild: Agora Energiewende
Deutscher Primärenergieverbrauch 1990-2019 Bild: Agora Energiewende

Als Hauptursache des Emissionsrückgangs im Stromsystem nennt Agora die gestiegenen Preise für CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel. In Verbindung mit der gestiegenen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und einem gesunkenen Stromverbrauch zwangen sie fossile Kraftwerke, ihre Stromproduktion 2019 häufig zu reduzieren. Die Stromerzeugung von Steinkohlekraftwerken brach deshalb um 31 % ein, die von Braunkohlekraftwerken um 22 %. Davon profitierten auch Gaskraftwerke, die ihren Stromabsatz um 11 % steigerten.

Mehr Klimagase aus Heizung und Auspuff

Anders als im Stromsystem nahmen die CO2-Emissionen von Gebäuden und dem Verkehrssystem allerdings zu: Dort wurden mehr Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel als im Vorjahr verbraucht. Im Verkehr führte vor allem der steigende Anteil schwerer Fahrzeuge mit großen Verbrennungsmotoren wie SUVs zu einem Anstieg der Emissionen.

Graichen warnte, dass wegen fehlender Maßnahmen im Gebäude- und Verkehrssektor die Klimagasemissionen im Zeitraum 2020 bis 2022 wieder ansteigen könnten. „Wir müssen mehr erneuerbare Energien zubauen, um den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 auszugleichen und auch genügend Strom für Elektroautos und Wärmepumpen zu erzeugen“, forderte er.

Sinkende Förderkosten für erneuerbare Anlagen

Die Jahresauswertung zeige laut Agora, dass die Förderkosten der erneuerbaren Energien schon bald sinken werden. Denn alte und teure Anlagen fallen nach 20 Jahren zunehmend aus der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, könnten aber weiterhin günstigen Strom anbieten. Neue Wind- und Solaranlagen wiederum produzierten Strom inzwischen preiswerter als alle anderen Kraftwerkstypen und führten bei steigenden Erneuerbaren-Energien-Anteilen immer mehr zu sinkenden Preisen an der Strombörse. So war Deutschland im Jahr 2019 gemeinsam mit Luxemburg auch das Land in Europa mit den geringsten Stromgroßhandelspreisen.

Beigetragen zum hohen Anteil erneuerbarer Energien habe auch ein deutlich gesunkener Stromverbrauch. Dieser war 2019 mit 569 Mrd. kW/h der geringste der vergangenen 20 Jahre und niedriger als 2009, dem Jahr der Wirtschaftskrise. Die Ursache sieht Agora sowohl im geringeren Wirtschaftswachstum und insgesamt einem geringeren Stromverbrauch der energieintensiven Grundstoffindustrie als auch im gesunkenen Eigenstromverbrauch von konventionellen Kraftwerken, die durch Erneuerbare-Energien-Anlagen ersetzt wurden.

Durchwachsener Ausblick

Für 2020 prognostiziert der Bericht, dass die Stromerzeugung aus Kernenergie weiter abnehmen wird, da das Kernkraftwerk Philippsburg 2 Ende Dezember 2019 stillgelegt wurde. Die Lage der Windenergie an Land werde sich wegen fehlender Genehmigungen kaum verbessern, der Zubau dürfte sich wie schon 2019 im Bereich von einem Gigawatt bewegen, während bei der Solarenergie ein Zubau von vier Gigawatt und damit auf ähnlichem Niveau wie 2019 erwartet wird.

Die Energieerzeugung durch Wind auf See werde sich 2020 aufgrund der Inbetriebnahme neuer Windparks im 2. Halbjahr 2019 und 1. Halbjahr 2020 voraussichtlich weiter steigern. Die Entwicklung bei Braunkohle, Steinkohle und Erdgas und damit der CO2-Emissionen 2020 sei offen und hängt von der Entwicklung der Kohle-, Gas- und CO2-Preise sowie der Windverhältnisse ab. Sehr wahrscheinlich sei jedoch, dass die Aussicht auf mögliche Entschädigungen im Rahmen des Kohleausstiegs dazu führen wird, dass 2020 kein Kohlekraftwerk stillgelegt werden wird.

Der Jahresrückblick steht kostenfrei zum Download bei Agora Energiewende bereit.

Der Jahresrückblick steht kostenfrei zum Download bei Agora Energiewende bereit.
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