Herrsching | 22. November 2023 |

Berliner Finanzprobleme bringen Wärmewende ins Straucheln

Die Wärmewende hat noch gar nicht richtig begonnen, da kommt sie schon aufgrund der Unsicherheit bei der Finanzierung das Gesamtkonstrukt ins Wanken. Das in der Politik weit verbreitete Prinzip, es im Gießkannenprinzip finanziell allen recht machen zu wollen, scheint zum Scheitern verurteilt.

Ganz im Zeichen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur unrechtmäßigen Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) stand der erste Tag der neuen Fachmesse „HEATEXPO“. Während die Förderkulisse für Wärmelösungen der Zukunft plötzlich ungewiss ist, präsentieren erstmals über 100 Aussteller ihre Produkte und Dienstleistungen zur klimafreundlichen Wärmeversorgung vom 21. bis zum 23. November in Dortmund.

Zum Start der Veranstaltung in den Westfalenhallen äußerte Ingbert Liebing in einer Medienrunde seine „große Sorge“, dass für die politisch gewollte Dekarbonisierung des Wärmesektors „die finanziellen Mittel wegbrechen“. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) nahm auch darauf Bezug, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine generelle Haushaltssperre verhängt habe. Es gelte daher, den Bundeshaushalt auf den Prüfstand zu stellen und Prioritäten neu zu setzen. „Vorfahrt“ erhalten müssten Anreize für unternehmerische Investitionen gegenüber Ausgaben etwa für Energiepreisbremsen.

Auf eine konkrete Folge des Karlsruher Urteils verwies Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Die vom Bundesbauministerium in Aussicht gestellten 500 Millionen Euro zur Unterstützung der Kommunen bei ihrer verpflichtenden Wärmeplanung sollten komplett über den nun gekippten KTF fließen. Ohne zusätzliche Einnahmen könne der Staat auch dieses Vorhaben nicht umsetzen.

VKU-Chef fordert Verlängerung des KWK-Gesetzes

Liebing forderte mit Nachdruck, für die Wärmewende entscheidende Förderinstrumente wie das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) nicht auslaufen zu lassen. Die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU reiche nur bis 2026, „aber es kümmert sich niemand um die Verlängerung“. Die Bundesregierung stehe hier in der Verantwortung. Denn bei der Dekarbonisierung der Wärme spielten Kraftwerke, die zugleich Wärme und Strom produzieren können, eine große Rolle. Weil jedoch Unsicherheit über die weitere Förderung über das KWKG bestehe, planten Unternehmen aktuell keine neuen Kraftwerksprojekte, weil diese erst nach 2026 in Betrieb gehen würden.

Auch sei kein Geld für KWK aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) zu erwarten. Liebing hält den Topf für zu klein. Die von der Bundesregierung veranschlagten 3 Milliarden Euro bis 2026 „erwarten wir eigentlich jedes Jahr bis Mitte der 2030er-Jahre“. Dies über das Wärmeplanungsgesetz abzusichern, sei „leider nicht erfolgt“. Und nach dem Urteil aus Karlsruhe werde es noch einmal schwieriger, hierfür zusätzliches Geld zu generieren. Mit dem BEW will der Bund Wärmenetzbetreiber beim klimafreundlichen Um- und Neubau der Netze unterstützen.

Kommunen müssen Klarheit über Konzepte schaffen

Liebing, der die Interessen von Stadtwerken und weiteren kommunalen Betrieben vertritt, sieht die Städte und Gemeinden sowie die Versorger vor großen Herausforderungen durch das Wärmeplanungsgesetz. Es verpflichtet Großstädte, bis Mitte 2026 Klarheit über künftige Nah- und Fernwärmekonzepte zu schaffen, für kleinere Kommunen gilt eine zwei Jahre längere Frist. Der Ordnungsrahmen allein werde nicht zur Dekarbonisierung des Wärmesektors, die aktuell nur zu weniger als 20 Prozent erreicht sei, führen. Fachkräfte für die Planung und die spätere Umsetzung seien nicht ausreichend verfügbar.

Gerd Landsberg erwartet nun weitsichtige Entscheidungen der Politik. Es sei nicht zu verstehen, warum der Staat erstens Wärmepumpen ohne Rücksicht auf Einkommensverhältnisse fördere. Er selbst brauche keine finanzielle Unterstützung. Auch dürfe es zweitens kein öffentliches Geld für private Wärmepumpen geben, sobald eine Kommune ein klares Signal für den Bau eines Fernwärmenetzes im entsprechenden Bereich gefällt habe. „Diesen Konflikt muss die Politik lösen“, sagte Landsberg. Aus Sicht der Kommunen sagte der Städte- und Gemeindebund-Chef, wenn der Staat nun seine Förderung für die Wärmeplanung zusammenstreichen müsse, „werden viele Kommunen erst mal nichts machen“.

Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB), brachte auf einer gemeinsamen Podiumsdiskussion „Einnahmeverbesserungen“ im Bundeshaushalt ins Spiel. Das wären auch die vom Finanzminister bislang ausgeschlossenen Steuererhöhungen. Parteiübergreifend werde sich kurzfristig das Bewusstsein wandeln müssen, um die erforderliche Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu finanzieren. Das gelte auch für die kommunale Wärmeplanung. Landsberg hatte zuvor eine höhere Umsatzsteuer oder einen neuen Zukunftssolidaritätsbeitrag angeregt, um die Klimaschutzziele bis 2045 noch zu erreichen. „Wenn die Regierung das jetzt abwürgt, wäre das blamabel.“

Den dreitägigen Branchentreff in Dortmund würdigte Ingbert Liebing als Forum, das Macher, Experten und Entscheider zusammenbringe. Die Heatexpo „hat das Zeug zur künftigen Leitmesse der Wärmewirtschaft“.

Informationen rund um die Wärmewende
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