Die Erderwärmung aufgrund steigender CO2-Konzentration in der Atmosphäre steht seit vielen Jahren im Fokus umweltpolitischer Diskussionen. Seit Beginn der Industrialisierung steigt der Anteil klimaschädigender Gase wie Kohlendioxid durch die Nutzung fossiler Energien immens an. Der Treibhausgaseffekt führt zu einer weltweit messbaren Erhöhung der Temperaturen. Während man über den Zusammenhang einzelner Wetterphänomene wie einen heißen Sommer oder einen milden Winter zur Klimaerwärmung (noch) streiten kann, können die physikalischen Gesetzmäßigkeiten aufgrund eines Temperaturanstiegs nicht bestritten werden. Steigende Temperaturen insbesondere auch in den Weltmeeren werden zweifelsohne zu stärkeren Stürmen als auch zu einem Abschmelzen der Eisflächen führen.
Seit der letzten Eiszeit vor rund 22.000 Jahren ist der Meeresspiegel aufgrund eines Temperaturanstiegs von 3,5°C bereits um mehr als 100 m angehoben worden. Ein weiteres Abschmelzen würde dazu führen, dass sich der Meeresspiegel noch einmal um rund 60 m erhöht.
Dies würde die Küstenlinien und das Bild der Erde nachhaltig wandeln und zu erheblichen Flüchtlingsströmen auch innerhalb Europas führen, da sich viele Ballungszentren an Küsten befinden.
Demnach geht es beim Klimaschutz vorrangig um ein Abwenden einer existentiellen Gefahr für die Menschheit – und dabei spielt die Energiewende eine herausragende Rolle.
Energiewende und deren Mythen
Bis vor einigen Jahren lag der Fokus der Energiewende größtenteils auf einer Veränderung der Stromerzeugung zu einem effizienteren und durch erneuerbare Energien geprägten Strommix. Der Stromsektor zeichnet sich aber nur für ca. 20% des Energiebedarfs verantwortlich. Rund 29% werden im Verkehrssektor und 51% für die Wärmeerzeugung benötigt.
Diese Fokussierung auf den Strommarkt spiegelt sich auch im Ausbau der erneuerbaren Energien in den jeweiligen Bereichen wieder. Während im Stromsektor bereits mehr als 36% der Bruttostromproduktion aus erneuerbaren Energien stammen, fällt der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmemarkt mit weniger als 14% und im Mobilitätssektor mit nur knapp über 5% bescheiden aus.
Die Energiewende wird häufig von Mythen begleitet. So postulieren viele, dass eine energetische Sanierung von Gebäuden nicht notwendig sei, da zukünftig der gesamte Wärmebereich mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden kann. Angesichts der bisherigen geringen Abdeckung erneuerbarer Energien im Wärme- und Mobilitäts-Sektor muss diese These angezweifelt werden. Außerdem erscheint es immer sinnvoll, unnötigen Energiebedarf zu vermeiden und den restlichen Bedarf möglichst effizient und mit erneuerbaren Energien abzudecken. In Großstädten kommt hinzu, dass mit zunehmender Bedeutung elektrischer Wärmeversorgungssysteme wie z. B. Wärmepumpen sowie mit Ausbau der Elektromobilität die Versorgungssicherheit eine besondere Rolle einnehmen wird. Daher nimmt die Reduzierung des benötigten Wärmebedarfs mittels Dämmmaßnahmen eine entscheidende Rolle innerhalb der Energiewende ein.
Angesichts der vielen dezentralen Stromerzeugungsanlagen (PV, Windkraft, Blockheizkraftwerke) wird die Verteilung des Stroms gegenüber einem zentral orientierten und auf wenigen Großkraftwerken basierenden System komplexer. Dies ist wie im Autoverkehr: Mit wachsender Anzahl der Akteure (Autos) mussten intelligente Ampelanlagen und Leitstellen eingesetzt werden, um den Verkehr möglichst reibungsfrei fließen zu lassen.
Ähnlich stellt sich dies im Stromsektor dar. Auch hier erfordert die steigende Anzahl dezentraler Stromerzeugungsanlagen eine höhere Anzahl an Regelungen im Stromnetz. Dies stellt aber einen ganz normalen Vorgang dar und ist einem sinnvollen Systemwandel geschuldet
Im Jahr 2018 wird es voraussichtlich zum ersten Mal der Fall sein, dass temporär über einige Stunden der Strombedarf in Deutschland vollständig durch erneuerbare Energien abgedeckt wird. Auch vor 2018 gab es bereits Stunden im Jahr, in denen deutlich mehr Strom produziert als verbraucht wurde – und daher der Preis für Strom an der Strombörse negativ war. Dies lag aber in erster Linie daran, dass mit fossilen Brennstoffen betriebene inflexible Kondensationskraftwerke aus technischen oder finanziellen Gründen von den Betreibern nur unzureichend in der Leistung reduziert wurden. Deutschland ist auch heute vorrangig ein Stromexport-Land.
Trotz Ausbau der erneuerbaren Energien wird es auch zukünftig Zeiten geben, in denen wegen einer „Dunkelflaute“ kein PV-Strom und nur sehr wenig Windstrom produziert wird. In diesen Zeiten müssen auch mittelfristig noch fossile Kraftwerke Strom erzeugen, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Dies sollte aber zukünftig möglichst effizient z. B. durch Kraft-Wärme-Kopplung realisiert werden. Langfristig können diese Zeiten einer „Dunkelflaute“ durch Power-to-Gas klimaschonend überbrückt werden. Außerdem werden Stromspeichersysteme an Bedeutung gewinnen.
Ein großer Kritikpunkt der Energiewende sind die steigenden Strompreise. Dies ist verwunderlich, da eine Veränderung hin zu einem dekarbonisierten Energiesystem selbstverständlich mit Kosten verbunden ist. Keiner würde sich wundern, wenn bei einem massiven Ausbau und Sanierung von Autobahnen anschließend eine höhere Steuer oder eine Maut bezahlt werden müsste. Beim Umbau der Energiesysteme und dem Ausbau der damit zusammenhängenden Infrastruktur scheint dies aber ein Punkt anhaltender Kritik zu sein.
Die ansteigenden Preise resultieren vorrangig aus den steigenden Umlagen, die auf den Strompreis aufgeschlagenen werden. Inzwischen summieren sich die Umlagen und Steuern auf den Strompreis für Privathaushalte auf rund 19 Cent/kWh [1]. Der eigentliche Strompreis an der Börse hat sich in den letzten Jahren verringert. Davon profitieren inzwischen vor allem große Industriekunden, die im Rahmen einer besonderen Ausgleichsregelung von den Umlagen weitgehend befreit sind.
Auf der anderen Seite können sich Verbraucher in Deutschland über relativ günstige Heizöl- und Erdgaspreise freuen. Der Erdgaspreis enthält derzeit Abgaben und Steuern in Höhe von rund 2,2 ct/kWh und Heizöl in Höhe von nur 0,6 ct/kWh. Daher zählen die Heizölpreise in Deutschland zu den günstigsten in Europa. Für eine sinnvolle Weiterentwicklung der Energiewende ist ein solches System aber kontraproduktiv.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich diese Technologien erheblich weiterentwickelt und die Preise für Erneuerbare-Energien-Anlagen deutlich reduziert haben. Als der Autor dieses Beitrags (Markus Gailfuß) 1989 sein Abitur am Ludwig-Wilhelm-Gymnasium Rastatt (LWG) abgelegt hat, wiesen die Windkraftanlagen noch Nabenhöhen von 50 m auf und hatten eine maximale Leistung von rund 500 kW je Windturbine. Wenn der Abiturjahrgang 1989 im Jahre 2019 sein 30-jähriges Jubiläum feiert, werden Windkraftanlagen verfügbar sein, die eine Nabenhöhe von rund 200 m und eine Leistung von bis zu 12 MW aufweisen. Viele der größeren Windkraftanlagen werden inzwischen auf offener See (Offshore) und nicht im Binnen- oder Küstenland (Onshore) gebaut, um die Laufzeiten zu erhöhen.
Besonders deutlich wird die Kostendegression erneuerbarer Energien bei Photovoltaik-Anlagen. Vor 15 Jahren kostete 1 Kilowatt Maximalleistung (kWp) rund 3.500 Euro (netto). Hinzu kamen durchschnittliche Kosten für Peripherie und Wechselrichter in Höhe von 1.500 Euro. Heute fallen pro Kilowatt Peakleistung nur noch ca. 1.000 Euro an – wohlgemerkt für das Modul inkl. Wechselrichter und Peripherie.
Dies hat auch Einfluss auf die Höhe der notwendigen Förderung für erneuerbare Energien. Bei der Ausschreibung im September 2017 lag der durchschnittliche Förderbedarf für PV-Anlagen bei 4,9 Cent/kWh und für Onshore-Windkraftanlagen bei 4,3 Cent/kWh. Offshore-Windkraftanlagen kamen teilweise ohne Förderung aus. Als Kontrast hierzu lohnt es sich, das Fördervolumen für das neue Atomkraftwerk „Hinkley Point C“ in Großbritannien anzuschauen. Dieses erhält 12 Cent/kWh an staatlicher Förderung – und dies über einen Zeitraum von 35 Jahren.
In den nächsten Jahrzehnten werden zur Versorgungssicherheit und zum Ausgleich der volatilen Stromerzeuger (Windkraft- und PV-Anlagen) weiterhin fossile (Heiz-) Kraftwerke benötigt, die jedoch flexibel auf das Stromangebot der erneuerbaren Stromerzeuger reagieren und deutlich weniger Stunden pro Jahr in Betrieb sein werden. Dampfbasierende Stromerzeuger sind meist sehr inflexibel und können auf sich verändernde Lasten nur schwerfällig reagieren. Dies gilt umso mehr, wenn die Befeuerung durch Kohle erfolgt.
Im Gegensatz zu den Diskussionen um den Kohleausstieg bei Kondensationskraftwerken zeigt sich der Sektor der Heizkraftwerke deutlich innovativer. Seit 2016 erhalten neue Kohle-Heizkraftwerke keine Förderung mehr und der Umstieg von Kohle auf Erdgas wird gefördert. Dies führt zur Ablösung bestehender alter Kohle-Heizkraftwerke durch moderne Großmotoren-Heizkraftwerke. In Kiel wird in Kürze ein neues Erdgas-Heizkraftwerk mit 20 Motoren á 10 MW elektrischer Leistung ein bestehendes Kohle-Heizkraftwerk ersetzen. Die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden errichten derzeit ein Motorenheizkraftwerk mit 10 Großmotoren mit insgesamt 100 MW elektrischer Leistung.
Bei all diesen Projekten wird immer ein sehr großer Wärmespeicher gebaut, der dafür sorgt, dass die KWK-Anlagen zu Zeiten betrieben werden können, in den der Strompreis an der Börse attraktiver ist. Die bei der Stromproduktion anfallende Wärme kann dann in diesen „übergroßen Thermoskannen“ zwischengespeichert werden.
Ein wichtiger Baustein der Energiewende ist der Ausbau des Stromnetzes. Zwischen Ausbauziel und der Realität klafft aber eine erhebliche Lücke. Hinzu kommen politisch motivierte Zusatzkosten z. B. aufgrund der erdverlegten Kabeltrassen. Jedoch wird die Energiewende auch auf eine Systemflexibilität durch den Ausbau der Batteriespeicher und durch Power-to-Gas-Projekte angewiesen sein.
Wie sehr sich die Einschätzung hinsichtlich einer Energiewende verändert hat, offenbart eine Anzeige, die von einigen großen Stromversorgern vier Jahre nach dem Abitur 1989 – also im Jahre 1993 – in der Süddeutschen Zeitung publiziert wurde. Im Text der Anzeige wurde vor gerade einmal 25 Jahren die Behauptung aufgestellt, dass regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind auch langfristig nicht mehr als 4% unseres Strombedarfs decken können. 2018 dürften aber wahrscheinlich bis zu 40% der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien stammen.
Bedeutung hocheffizienter KWK-Anlagen im Rahmen der Energiewende
Im Wärmesektor (Raum- und Prozesswärme) nehmen fossil befeuerte Heizkessel auch bei den neu installierten Anlagen eine dominante Rolle ein. Weniger als 14% des Wärmebedarfs wird durch regenerative Energiequellen, zu denen per Definition auch Wärmepumpen zählen, abgedeckt. Außerdem werden rund 20% des Raumwärmebedarfs durch Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bereitgestellt. Das KWK-Prinzip zeichnet sich durch eine sehr effiziente Nutzung des Energieträgers aus, da die bei der Strombereitstellung entstehende Wärme vor Ort für Heizzwecke genutzt wird.
Die Einsatzmöglichkeiten für solche KWK-Anlagen, die im kleineren Leistungsbereich auch als Blockheizkraftwerke (BHKW) bezeichnet werden, reichen von Wohngebäuden über Schulen bis hin zu Freizeitbädern und Krankenhäusern. Auch in Rastatt werden viele der oben genannten Versorgungsobjekte über Blockheizkraftwerke mit Strom und Wärme versorgt – u. a. das Ludwig-Wilhelm-Gymnasium. Neben den traditionellen KWK-Technologien wie Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen stehen verstärkt neue Technologien wie die Brennstoffzelle zur Verfügung. Das Spektrum der einsetzbaren Brennstoffe reicht von den fossilen Brennstoffen (Erdgas, Heizöl, Flüssiggas) über die erneuerbaren Energien (Pflanzenöl, Biogas, Biomethan, Klär- und Deponiegas, Holz und Holzgas) bis hin zu synthetischen Brennstoffen aus überschüssigem Wind- oder PV-Strom (Power-to-Gas).
Dabei stellt die gemeinsame Nutzung von Blockheizkraftwerken und PV-Anlagen keinen Widerspruch dar. Gerade in der Wohnungswirtschaft werden kombinierte Anlagen bei Mieterstrom-Konzepten genutzt. Die PV-Anlage produziert Strom für die Mieter insbesondere in den Monaten April bis Oktober, in denen die BHKW-Anlage aufgrund der Witterung nur wenige Stunden pro Tag in Betrieb ist. Im Winter, wenn die BHKW-Anlage nahezu ganztägig Wärme und Strom produziert, weist die PV-Anlage aufgrund der geringen Anzahl an Sonnenstunden nur wenige Erträge auf.
Zukünftig wird der Wärmemarkt insbesondere in Ballungszentren noch stärker durch eine Fernwärmeversorgung statt Einzel-Objektversorgungen geprägt sein. Dadurch können anfänglich hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung und mittel- bis langfristig erneuerbare Energien effektiv für viele Gebäude zur Verfügung gestellt werden. Der Ausbau der Fernwärme wird nicht zwangsweise durch große Netze sondern auch stark durch Quartiersversorgungen, also kleinere Nahwärmenetze, erfolgen. Dies konnte auch in Rastatt in den letzten Jahren sehr gut beobachtet werden.
Der Vortrag „Energiewende – Warum sie notwendig ist und was sie bedeutet“ kann als pdf-Datei im Downloadbereich des BHKW-Infozentrums heruntergeladen werden [3].
[1] Neue Preismodelle für Energie – Grundlagen einer Reform der Entgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom und fossile Energieträger
Agora Energiewende April 2017 – https://www.agora-energiewende.de/index.php?id=157&tx_agorathemen_themenliste%5Bprodukt%5D=906
[2] Evaluierung des KWK-Gesetzes abgeschlossen
BHKW-Infozentrum September 2014 – https://www.bhkw-infozentrum.de/aktuelle-bhkw-statements/evaluierung-des-kwk-gesetzes-abgeschlossen.html
[3] Downloadbereich des BHKW-Infozentrums – https://www.bhkw-infozentrum.de/download-bhkw-kwk.html