Rastatt | 29. März 2019 |

Urteil des EuGH eröffnet wieder Spielräume bei der Förderung von KWK-Anlagen

Das EuGH-Urteil vom 28.03.2019 gibt Deutschland die Möglichkeit zurück, eigenständiger über energierechtliche Fragen zu entscheiden. Die einschneidenden Bestimmungen des Energiesammelgesetzes für KWK-Anlagen müssen nun überprüft werden.

Es gibt Tage, da wird man auch vom Europäischen Gerichtshof schlicht und ergreifend überrascht. Der EuGH gab am 28. März 2019 in der Revisions-Verhandlung dem Rechtsmittel der Bundesrepublik Deutschland statt, hat das zuvor ergangene Urteil des Europäisches Gerichts (EuG) aufgehoben und erklärte den zugrunde liegenden Beihilfebeschluss der EU-Kommission aus dem Jahre 2014 für nichtig (Urt. v. 28.03.2019, Az. C-405/16 P).
Der EuGH folgte damit der Argumentation der Bundesrepublik Deutschland, dass die im Finanzierungsmechanismus des EEG 2012 verwendeten Mittel keine staatlichen Mittel darstellten, da sie nicht unter staatlicher Kontrolle stünden. Dementsprechend seien auch die Voraussetzungen für eine Beihilfe nicht erfüllt. Das EEG 2012 stellt nach höchstrichterlichen Meinung des EuGH keine Beihilfe dar.

Anwendbarkeit des EuGH-Urteils

Die Entscheidung betrifft formal nur das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in der Fassung aus dem Jahre 2012. Dadurch sehen sich nun zahlreiche stromkostenintensive Unternehmen nicht mehr mit Nachzahlungsansprüchen aus der Besonderen Ausgleichsregelung konfrontiert.

Neben diesen konkreten Auswirkungen hat das EuGH-Urteil aber erheblichen Einfluss auf die zukünftige Energiepolitik Deutschlands. Nach Meinung der Stiftung Umweltenergierecht wird der Politik und dem deutschen Gesetzgeber durch das EuGH-Urteil künftig wieder umfassende eigene Spielräume zur Ausgestaltung des EEG-Fördersystems eingeräumt, da der beihilferechtliche Druck durch die EU-Kommission auf das EEG-Fördersystem in der Folge des Urteils erheblich abnehmen dürfte. Strenggenommen existiert diese Einflussmöglichkeit eigentlich nicht mehr.

Spätestens ab dem Jahre 2014 wurden seitens der Bundesregierung immer wieder die Regelungen des EEG, der EEG-Umlage und auch des – in der Förderpraxis mit dem EEG vergleichbaren - KWK-Gesetzes mit der beihilferechtlichen Kommission im Vorfeld oder nach Gesetzesbeschluss abgestimmt. Dabei wurden die Vorgaben der EU-Kommission in die nationale gesetzliche Regelung übernommen. Die Neuregelung der EEG-Umlage für KWK-Neuanlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 1 MW und 10 MW (§61c EEG) sowie für Dampfsammelschienen-Heizkraftwerke im KWKG sind Beispiele für Novellierungen, die aus einem Abstimmungsprozess mit der EU resultieren. Aber auch die Ausschreibungspflicht für KWK- und EE-Anlagen gehören zu den Vorgaben der europäischen Beihilferichtlinie.

Unabhängig von den Inhalten dieser Regelungen führten die ewigen Diskussionen zwischen Bundesregierung und der EU-Kommission sowie insbesondere die zeitlich begrenzten beihilferechtliche Gültigkeit zu einer immensen Investitionsunsicherheit, die den notwendigen Umbau des Energiesystems nachhaltig bremste.

Groß angekündigte Projekte wie die Förderung von Mieterstrom scheiterten in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung nach Angaben der Bundesregierung an den restriktiven Vorgaben der EU-Kommission. Auch die sogenannte EEG-Umlageprivilegierung von KWK- und EE-Anlagen in der Eigenversorgung wurden aufgrund der beihilferechtlichen Regelungen eingeschränkt und verkompliziert.

Kein Verstecken hinter EU-Kommission mehr möglich

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die Komplexität und die Einschränkungen der seit 2014 mit Hinweis auf die EU-Kommission eingeführten gesetzlichen Regelungen wirklich aus den Vorgaben aus Brüssel resultierten. Man konnte sich in der Vergangenheit nicht immer des Eindrucks erwehren, dass die EU-Kommission nur als Begründung für Einschränkungen herhalten musste.

Der EuGH hat in seinem Urteil der Europäischen Kommission ein Mitspracherecht auf wesentliche Aspekte der deutschen Energiepolitik abgesprochen. Das deutsche Parlament und die Bundesregierung können zukünftig bei gesetzlichen Regelungen wie dem EEG aber wahrscheinlich auch dem KWKG ohne substantiellen Einfluss aus Brüssel Entscheidungen treffen.

Damit erhält der nationale Gesetzgeber Freiheiten zurück und die Karten werden neu gemischt. Dies trifft auch auf Regelungen zu, die erst mit dem Energiesammelgesetz eingeführt wurden. Hierzu gehören insbesondere der umstrittene § 61c EEG 2017 mit der Beschränkung der EEG-Umlage-privilegierten Eigenstromnutzung auf 3.5000 Vollbenutzungsstunden sowie dem sogenannten „Claw-back Mechanism“. Dieser dürfte nun wieder in den Fokus der (industrie-)politischen Diskussion geraten – und dies ist gut so.

 

Update zur EEG-Umlage für KWK-Anlagen über 1 MW bis 10 MW - 01. Juli 2019

Deutscher Bundestag beschließt nach dem EuGH-Urteil zur beihilferechtlichen Relevanz des EEG 2012 die Wiedereinführung der 40-prozentigen EEG-Umlage auf Eigenstromverwendung bei KWK-Anlagen über 1 MW bis 10 MW elektrischer Leistung. Es besteht aber noch eine unklare Rechtslage wegen fehlender Einschätzung der EU-Kommission. Weitere Informationen zum Bundestagsbeschluss zum Entfall der 3.500 Vollbenutzungsstunden-Anzahl samt Aufhebung des Claw-Back-Mechanismus erhalten Sie im Bericht "EEG-Umlage für mittelgroße KWK-Anlagen soll wieder auf 40 Prozent der EEG-Umlage gesenkt werden".

Fachbeitrag über die Bedeutung des EuGH-Urteils mit Aussagen der Stiftung Umweltenergierecht
Fachbeitrag über die Bedeutung des EuGH-Urteils mit Aussagen der Stiftung Umweltenergierecht

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