Rastatt | 17. April 2023 |

Komplett verrechnet – Gasheizung klimaschädlicher als Wärmepumpe

Die Berliner Zeitung veröffentlichte Mitte April einen Bericht, der auf Grundlage der Berechnung zweier Berliner Ingenieure Wärmepumpen als klimaschädlicher als Gasheizungen bezeichnete. Ein eklatanter Rechenfehler führte zu dieser Fehleinschätzung.

Es gibt inzwischen sehr viele wissenschaftliche Studien, welche die Emissionen unterschiedlicher Heizsysteme untersuchen. Bei den meisten dieser Studien wird auch zwischen dem Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden und in Neubauten unterschieden.

Habeck irre sich, so zwei Berliner Ingenieure, deren Aussagen in einem Beitrag der „Berliner Zeitung“ am 14. April 2023 eine Bühne bereitet wurde. Als ob Habeck die wissenschaftliche Studien zu Wärmepumpen verfasst hätte.

Die Wahrheit indes ist, dass die Berechnung in der Berliner Zeitung einen massiven Rechenfehler aufweist – ein Fehler, der das Ergebnis um fast 40% verfälscht.

 

Berliner Zeitung erfreut Klimaskeptiker

Am 14. April 2023 veröffentlicht Chiara Maria Leister in der Berliner Zeitung den Bericht „Wärmepumpe klimaschädlicher als Gasheizungen? - Ingenieure legen sich mit Habeck an“. Ein Bericht, der kurz darauf auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen begeistert geteilt wurde.

Kernaussage des Berichtes: Wirtschaftsminister Habeck begeht einen massiven Fehler, wenn er Gasheizungen „auf den Müllhaufen der Geschichte“ werfe und Wärmepumpen auch in Bestandsgebäuden zur Pflicht machen will.
Viele Energieexperten und Umwelt-Ingenieure seien sich, so der Bericht weiter, auf den ersten Blick einig, was die Klimafreundlichkeit der Wärmepumpen angehe – man beachte die gewählten Formulierungen. Da sei es gut, dass es Berliner Ingenieure gebe, die auf den zweiten Blick das Ganze ins rechte Licht rücke.

Warum das brandenburgische Grünheide spätestens seit dem Bau der Tesla-Fabrik zu Berlin gehört, ist immer noch eine der Rätsel dieser Welt – aber der Ingenieur im Ruhestand Frank Müller aus der Berliner Grünheide kritisiert die Aussagen zur Klimafreundlichkeit von Wärmepumpen als öffentliche Propaganda mit absurden Zügen, die falsch und dumm seien.

Unbestritten ist, dass Wärmepumpen in Bestandsgebäuden mit traditionellen Heizkörpern nicht so effektiv betrieben werden können wie in Neubauten mit Flächenheizungen. Insbesondere bei kühlen Außentemperaturen im Winter und höheren Vorlauftemperaturen in alten Heizsystemen reduziert sich die Effizienz von Luft-Wasser-Wärmepumpen. Nun muss man aber auch wissen, dass sich selbst bei Außentemperaturen von -5°C und einer Vorlauftemperatur von 55°C bei qualitativ guten Wärmepumpen-Systeme eine Arbeitszahl von 2 bis 3 erreichen lässt. Dies ist sogar einem Schaubild zu entnehmen, welches im Bericht der Berliner Zeitung abgedruckt ist.
Über das gesamte Jahr betrachtet weisen moderne Luft-Wasserwärmepumpen-Systeme bei einer Vorlauftemperatur von 55°C ein SCOP[1] zwischen 3 und 4 auf – mit der Tendenz zu immer besseren Effizienz-Werten.

 

Vergleich Heizkessel und Wärmepumpe mit eklatantem Rechenfehler

Der Ingenieur Frank Müller stellt in der Berliner Zeitung einen Vergleich zwischen brennwertfähigem Erdgas-Heizkessel und Luft-Wasser-Wärmepumpe auf. Dabei werden die beiden Energiesysteme für die Wärmebereitstellung eines Einfamilienhauses mit 55°C Vorlauftemperatur und einem Jahresenergiebedarf in Höhe von 20.000 kWh betrachtet.

Bei dem brennwertfähigen Heizkessel scheint es sich um ein außergewöhnliches Gerät zu handeln. Ohne irgendwelche Verluste wird der gesamte Energieinhalt des Erdgases zu 100% in Wärme überführt. Wohlgemerkt: 100% Effizienz in Bezug auf den Brennwert des Erdgases, denn europaweit werden Effizienzwerte inzwischen bezogen auf den Brennwert und nicht wie (früher) in Deutschland üblich auf den geringeren Heizwert angegeben.

In der Hersteller-Berechnung weisen effizienzzertifizierte brennwertfähige Heizkessel üblicherweise einen Jahresnutzungsgrad von 90% bis 95% auf. Aber das ist ein kleiner Fehler.

Der eklatante Fehler passiert bei der Berechnung der Strommenge, die für die beispielhafte Lieferung von 20.000 kWh Wärme benötigt werden. Hier wird anhand der jahreszeitbedingten Raumheizungs-Effizienz, die mit 125% eher gering angesetzt wird, zuerst die notwendige Primärenergie berechnet. Das Ergebnis in Höhe von 16.000 kWh wird dann aber durch einen falschen Primärenergiefaktor geteilt.
Der Berechnung der jahreszeitbedingten Raumheizungs-Effizienz gemäß der EU-Verordnung Nr. 813/2013 liegt ein Primärenergiefaktor von 2,5 zu Grunde – und eben nicht wie in der Berechnung in der Berliner Zeitung angenommen in Höhe von 1,8.

Der falsch berechnete Strombedarf in Höhe von rund 8.890 kWh liegt damit um fast 40% über der korrekt berechneten Strombedarfsmenge in Höhe von 6.400 kWh. Demnach fallen die korrekt berechneten jährlichen CO2-Strommengen bei der Wärmepumpen-Variante mit rund 3.130 kg deutlich geringer aus als bei der Variante eines brennwertfähigen Gaskessels mit 95% Effizienz in Höhe von 3.810 kg.

Das ist bereits unter Berücksichtigung des Strommixes von 2022 – einem Jahr, das von einem hohen Anteil an Kohlestrom geprägt war – eine Ersparnis in Höhe von 18%.

Kohlendioxid-Ausstoß unterschiedlicher Heizsysteme für ein Bestands-Gebäude mit einem Wärmebedarf von 20.000 kWh.
Berechnung gemäß Berliner Zeitung Korrigierte Berechnung
Erdgasbedarf im brennwertfähigen Heizkessel bei 100% Jahresnutzungsgrad:

20.000 kWh

spezifische CO2-Emissionen für Erdgas

181 Gramm CO2 je kWh Erdgas:

Gesamtemission:

3.620 kg CO2

 

Strombedarf für Luft-Wasser-Wärmepumpe bei einer jahreszeitbedingten Raumheizungs-Energieeffizienz von 125%:

8.890 kWh

Spezifische CO2-Emissionen für Strombezug im Jahre 2022:
489 Gramm CO2 je kWh Strom

Gesamtemission:

Rund 4.350 kg CO2

 

Falsches Ergebnis u. a. aufgrund fehlerhafter Primärenergie-Faktoren:

20% zusätzliche CO2-Emissionen der Wärmepumpe gegenüber dem Erdgas-Heizkessel

Erdgasbedarf im brennwertfähigen Heizkessel bei 95% Jahresnutzungsgrad:

21.050 kWh

spezifische CO2-Emissionen für Erdgas

181 Gramm CO2 je kWh Erdgas:

Gesamtemission:

3.810 kg CO2

 

Strombedarf für Luft-Wasser-Wärmepumpe bei einer jahreszeitbedingten Raumheizungs-Energieeffizienz von 125%:

6.400 kWh

Spezifische CO2-Emissionen für Strombezug im Jahre 2022:
489 Gramm CO2 je kWh Strom

Gesamtemission:

Rund 3.130 kg CO2

 

Korrektes Ergebnis:

18% geringere CO2-Emissionen der Wärmepumpe gegenüber dem Erdgas-Heizkessel

 

Fehlerhafte Aussagen im Bericht

Im Bericht selbst sind einige fehlerhafte Aussagen prominent hervorgehoben worden. So behauptet die Autorin des Beitrages, dass die Jahreszeitbedingte Raumheizungs-Energieeffizienz angebe, wie viel Wärme eine Raumheizung aus Strom gewinne. Da hat jemand Endenergie und Primärenergie verwechselt. Ein Wirkungsgrad von 125% bei der Raumheizungs-Energieeffizienz (Verhältnis Nutzenergie zu Primärenergie) bedeutet bei einer Wärmepumpe ein SCOP1 in Höhe von 3,125 – also je kWh Strom (Endenergie) ein Output von 3,125 kWh Wärme (Nutzenergie) und eben nicht 1,25 kWh.

Außerdem wird in dem Bericht prominent die Behauptung aufgestellt, dass der Anteil erneuerbarer Energien im Winter für Wärmepumpen zu gering sei. Wenn eine Wärmepumpe aber bei einem COP[2] in Höhe von 3 in den Wintermonaten November bis Februar Wärme für ein Gebäude bereitstellt, dann stammen doch 2 dieser 3 Teile aus Umweltwärme – und das allein sind bereits mehr als 65%.
Ja - im Winter ist der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix teilweise geringer. Beispielhaft wird hier im Bericht der Berliner Zeitung ein Minimalwert im Winter 2022/2023 in Höhe von 13% genannt. Die Angabe des Maximalwertes bei hoher Windkraft-Produktion in den Wintermonaten wurde – wahrscheinlich aus Versehen – vergessen.

Ist aber auch unwesentlich – denn wenn zwei Drittel der Wärme aus Umweltwärme stammen, dann sind das – unabhängig vom Strommix – bereits mehr als 65% erneuerbare Energien.
Eigentlich einfache Mathematik – sollte man meinen.

 

Wissenschaft braucht Diskurs – Hybris braucht keiner

Wissenschaft lebt davon, dass man über Ergebnisse wissenschaftlicher Studien diskutiert und Annahmen kritisch hinterfragt – und das ist auch gut so.

Der narzisstische Hochmut (Hybris) von Personen, die meinen, mal auf die Schnelle die Ergebnisse ganzer Studien widerlegen zu können, hat aber in den letzten Jahren eklatant zugenommen und nimmt immer absurdere Formen an.

Vielleicht sollten sich all die selbsternannten Klimawissenschaftler, Historiker, Virologen und Fußballtrainer einfach mal selbstkritischer im Spiegel betrachten – und Zeitungs-Autoren und Autorinnen eher über Themenfelder berichten, von denen sie zumindest ein gewisses Maß an Ahnung aufweisen.

[1] SCOP = Seasonal Coefficient of Performance (SCOP)
Der SCOP geht bei der Berechnung von vier Messpunkten aus. Darüber hinaus wird für die Bewertung von Wärmepumpen in Europa für Deutschland die durchschnittlichen Temperaturen von Straßburg (Mitteleuropa) angenommen. Die Ergebnisse werden anhand der stundengenauen Referenzwerte gewichtet miteinander verrechnet. Dadurch vermittelt der SCOP einen Energieeffizienz-Wert einer Wärmepumpe über einen möglichst realistischen Jahreszyklus.
[2] COP = Coefficient of Performance (COP) - Verhältnis zwischen erzeugter Heizleistung und der eingesetzten elektrischen Leistung bei einer Wärmepumpe in einem bestimmten Arbeitspunkt.

Originalbericht der Berliner Zeitung
Originalbericht der Berliner Zeitung

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